: Wenn man spießiger ist, als die Polizei erlaubt
Der FC St. Pauli wird seine Niederlage gegen Werder erst am Abend kassieren. Aber die Polizei steht mittags schon bereit – ihre Wanne mit einem Hinterrad fett auf dem Radweg. Ich muss daneben halten, weil rot ist. Und weil’s die Polizei ist.
Einen Augenblick zu lange muss ich sie angeglotzt haben. Der Polizist lässt die Scheibe runter und sieht mich fragend an. „Schon klar, dass das hier’n Radweg ist, ne?“, blaffe ich ihn an. „Aber Sie kommen doch noch leicht vorbei“, rechtfertigt er sich, beziehungsweise die Kollegin am Steuer. „Wir müssen ja auch sehen, dass die Autos noch vorbeikommen.“ Da ist er bei mir richtig. Kennt jetzt nicht mal mehr die Polizei die StVO? „Kommen sie doch sowieso nicht“, motze ich – wegen der Wanne davor, die ordentlich auf der Fahrbahn steht. „Aber macht mal, wie ihr meint.“ Und ab. Ist ja jetzt grün.
Hamburg- St. Pauli
22.305 Einwohner*innen.Hamburgs berühmtester Stadtteil beherbergt jedes zweite Wochenende 29.546 Fußballfans – und dazu ein paar Hundert Polizist:innen, je nach Gegner. Gegen Werder sind es eher wenige, weil die Fans beider Clubs eine Freundschaft verbindet.
Danach will sich aber keine rechte Befriedigung einstellen. Im Gegenteil. Auf dem Rückweg komme ich wieder an der Stelle vorbei. Die Polizistin fährt schnell vom Radweg runter. Ich halte, ihr Kollege lässt wieder die Scheibe runter. Er sieht genervt aus. „Ich wollte mich entschuldigen“, höre ich mich sagen, „das war total spießig eben.“ Jan Kahlcke
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen