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Archiv-Artikel

Ärger an Bord

Segeln wie im 19. Jahrhundert: „Windstärke 8 – Das Auswandererschiff“ (ARD, 21.45 Uhr) konfrontiert in bewährter Manier moderne Menschen mit dem Leben in der Vergangenheit

VON STEFFEN GRIMBERG

ARD-Zeitreise, die dritte: Nach „Schwarzwaldhaus“-Plackerei und Gutsherren-Herrlichkeit beim „Abenteuer 1900“ sticht heute Abend der Dreimaster „Bremen“ in See. Wie zur Mitte des 19. Jahrhunderts soll sie deutsche Auswanderer von Bremerhaven ins damals noch gelobte Land, in die USA bringen.

Oder sagen wir besser mal: beinahe wie zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Anstelle des damals üblichen Gedränges im Mitteldeck verteilen sich gerade mal 16 Menschen auf die beiden Quartiere an Bord. Früher hätte der Platz für mindestens 50 reichen müssen. Zwar wird nach alter Art mit Sextant navigiert, doch zur Sicherheit verfügt Kapitän Hans Temme auch über modernste Technik. Und unerschütterliche Gelassenheit.

Den Käpt’n, absoluten Herrscher bei einer solchen Reise nach Übersee, hat man sich schon resoluter und zupackender vorgestellt. Und so wird der Held von „Windstärke 8“ – der Smut. Schiffskoch Hans-Peter Amman ist im wahren Leben zwar auch Hobbysegler, aber in erster Linie Gynäkologe. An Bord wird daraus „Piet“, und seine Rolle hat neben der Kocherei auch was von Johannes Rau: versöhnen statt spalten. Denn Spaltung droht schon bald an Bord. Kapitän Temme muss die längere Südroute über den Atlantik wählen, Stürme und Flauten werfen die Zeitreisenden zurück. Es droht ein Weihnachtsfest auf See, Essen verdirbt, und die Auswanderer scheiden sich schnell: in engagierte Kartoffelschäler und gelangweilte Müßiggänger. Und in Ossis und Wessis. Familie Schneider, 1989 kurz vor dem Mauerfall in die alte BRD übergesiedelt, übernimmt sechs Mann hoch das Kommando im Zwischendeck.

Regisseur Dominik Wessely („Blume der Hausfrau“), der erst kurz vor der Abfahrt nach einer plötzlichen Absage einsprang, stand oft kurz vor der endgültigen Verzweiflung: Ihn habe vor allem genervt, dass kaum ein Auswanderer wirklich voll und ganz ins Jahr 1850 eintauchen wollte, berichtet der Stern, der die ganze Zeit einen Reporter an Bord hatte. Dafür blühte der Tauschhandel mit der Besatzung – deren Gepäck hatte niemand nach moderner Konterbande gefilzt. Doch davon ist im TV natürlich nichts zu sehen. Genauso wenig wie vom Schiffsdiesel, der die ohnehin arg in die Länge geratene 7.500-Seemeilen-Reise am Ende auf eben noch erträgliche 70 Tage verkürzen half: Am 23. Dezember 2004 lief die „Bremen“ mit knapp dreiwöchiger Verspätung in New York ein.

Weitere Folgen – Arte: bis 27. 5. täglich (20.15 bis 20.45 Uhr)ARD: 25./30. 5. und 1./6./8. 6. (21.45 bis 22.30 Uhr)