: Für Georgiens EU-Beitritt
Hunderte protestieren gegen russischen Einfluss auf Regierung
Von Peter Nowak
Zahlreiche EU- und Georgienfahnen waren am Sonntagnachmittag am Pariser Platz am Brandenburger Tor zu sehen. Mehrere Hundert Menschen hatten sich dort am regnerischen Dezembernachmittag versammelt. Sie machen sich Sorgen über die politische Entwicklung in der Kaukasusrepublik. Einige Demonstrant*innen zeigen vergrößerte Fotos, auf denen Menschen mit blutigen Gesichtern zu sehen sind. „Sie sind in den letzten Tagen in Tiflis bei Protesten verhaftet wurden. Einige sind im Krankenhaus, andere noch immer in Polizeigewahrsam und andere haben sich aus Angst vor Verhaftungen versteckt“, sagt Nino.
Die 28-Jährige, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, stammt aus der georgischen Stadt Kutaisi, lebt aber schon seit mehreren Jahren in Berlin. Auch ihre Freundin Alisa kommt aus der gleichen Stadt und studiert seit mehreren Jahren in Berlin. „Ich war in den letzten Monaten auf zahlreichen Kundgebungen in Berlin wegen der Entwicklung in meinem Heimatland“ sagt sie.
Sie scheint nicht die einzige. Viele der meist jungen Protestteilnehmer*innen begrüßen sich freundlich. Sie haben sich bei vergangenen Protesten kennengelernt. Was sie auf die Straße treibt, hat ein junger Mann in einem Satz auf einem Protestplakat zusammengefasst. „Wir wollen in der EU und nicht in der russischen Welt leben“, steht da. Auf anderen meist selbstgemalten Schildern und Transparenten stehen Sätze wie: „EU rettete uns“ oder „Georgia was, is und will be Europe“. Redner*innen fordern den sofortigen Rücktritt der aktuellen georgischen Regierung, der sie vorwerfen, das Land im Interesse von Russland von der EU zu isolieren. „Die Regierung repräsentiert nicht die georgische Bevölkerung“, steht auf einen anderen Plakat. Doch die Parole löst auch unter den Kundgebungsteilnehmer*innen Diskussionen aus. „Ich bin mir nicht so sicher, wie die Stimmung in Georgien ist“, sagt ein älterer Mann. In ländlichen Regionen sei die Begeisterung für die EU nicht so groß ist wie in den Städten. „Viele befürchten, dass Georgien eine zweite Ukraine wird. Vor allem die Älteren können sich noch erinnern an die Unruhen in Georgien in den frühen 1990er Jahren, als das Land am Rande eines Bürgerkriegs stand. Diese Furcht nutzt die Regierung aus“, sagt er.
Doch vor allem jüngere Menschen widersprechen. Einige tragen auch ukrainische Fahnen mit sich. „Wir sind solidarisch mit dem Land, das von Russland überfallen wurde, denn wir haben das auch schon erlebt“, sagt ein Demoteilnehmer mit georgischer und ukrainischer Fahne. Er verweist auf den kurzen Krieg zwischen Russland und Georgien 2008.
Auch einige junge Ukrainer*innen haben sich den Protesten angeschlossen. „Wir sind uns einig, dass unseren Weg in die EU niemand aufhalten kann“, sagt Igor, der aus Kyjiw stammt und schon länger in Berlin lebt. „Ich bin hier, weil ich die Freund*innen aus Georgien nicht allein lassen will“, sagt Monika. Sie gehört zu der kleinen Gruppe von Menschen ohne osteuropäischen Hintergrund auf der Kundgebung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen