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Mut brüllt nicht

Manche denken, Konny Gellenbeck sei die Frau, die die Kohle für die taz besorgt hat. Stimmt, aber viel zu kurz gedacht

Von Bascha Mika

Zum Gründungsmythos der taz gehört das Gerede vom Kollektiv. Von der Gemeinschaft, in der alle die gleichen Rechte haben, sich auf Augenhöhe begegnen und niemand nach der Methode Champignon den Kopf zu weit rausstreckt.

Doch das war immer ein Märchen – selbst wenn die Erinnerung daran im kollektiven Gedächtnis der taz weiterlebt und sich bis heute in flachen Hierarchien und großer Autonomie der Ressorts und Re­dak­teu­r:in­nen niederschlägt. Wahrscheinlich war dieses Narrativ zu Beginn sogar notwendig, um nach innen die Kraft aufzubringen, mit absoluten Laien eine Tageszeitung aus dem Boden zu stampfen und gleichzeitig für die Un­ter­stüt­ze­r:in­nen von außen ein solidarisches Bild abzugeben.

In Wahrheit aber hat die kleine Zeitung immer von einzelnen, starken Menschen gelebt. Und tut das bis heute. Von außergewöhnlichen Kolleg:innen, die auf sehr unterschiedliche Weise das taz-Momentum verkörpern. Die den Laden zusammenhalten, an dessen Zukunft arbeiten, kämpfen und streiten und etwas wirklich wollen – ohne dabei das Gemeinsame aus den Augen zu verlieren. Der ewige Geschäftsführer Kalle Ruch zum Beispiel gehörte sicher dazu. Oder Christian Semler, der mit seiner Bildung und Intellektualität eine herausragende Rolle spielte. Oder Konny.

Ich bin völlig überzeugt: Ohne Konny würde es die taz heut nicht mehr geben. Wie hätte die Genossenschaft aufgebaut werden können – ohne Konny? Wer hätte so viele Menschen über Jahrzehnte an die taz binden und eine stabile Community bilden können – wenn nicht Konny? Wem hätten die Ge­nos­s:in­nen so uneingeschränkt vertraut und immer wieder Geld gegeben – außer Konny? Und wo hätte ein Mensch die Energie hernehmen sollen, neben der Genossenschaft auch noch die Panter Stiftung aufzubauen, zu leiten und für die Finanzierung zu sorgen? Das konnte nur Konny. Von dem Millionenkapital, das sie zum Aufbau des neuen Hauses ­herangeschafft hat, mal ganz zu schweigen.

Das klingt, als wäre Konny die Frau für Kohle. Irrtum! Menschen zu überzeugen, ihr Geld in die taz zu stecken, ist nur eine der besonderen Fähigkeiten, die sie sich angeeignet hat. Großartig ist sie auch darin, neue Ideen für die Zukunft des taz-Kosmos zu entwickeln. Oder Projekte für die Panter Stiftung, um Pressefreiheit in Deutschland und weltweit zu fördern. Oder ständig zu überlegen, wer mit wem sinnvoll vernetzt gehört, damit Synergien für die gute Sache entstehen. Sie wusste immer, was sie wollte, und hat es meistens bekommen – weil sie dafür geackert und gebrannt hat.

Konny Gellenbeck im Juni 2003 Foto: Jonas Maron

Dabei gibt es einen Charakterzug an ihr, den ich besonders schätze: ihren Sinn fürs Gemeinsame. Konny hält die taz­le­r:in­nen beisammen. Wenn es nach ihr geht, fällt niemand völlig aus dem Umfeld heraus, sie denkt in Familie. Und ist auch deshalb eine Meisterin darin, Ehemalige anzubinden oder wieder zu holen. Ich bin dafür ein gutes Beispiel. Wer außer Konny hätte mich davon überzeugen können, ins Kuratorium der Panter Stiftung einzutreten – nach so vielen Jahren taz-Abstinenz, in denen sie immer Kontakt gehalten hat?

Über Jahrzehnte war Konny ein großes Rad im taz-Getriebe, das immer funktioniert hat. Und kaum jemand hat sich Gedanken gemacht, welche Katastrophe hereinbrechen würde, wenn dieses Rad einmal stockt oder wegbricht. Genauso wenig Gedanken gemacht, welch ungeheure Energie diese Frau tagtäglich in ihre Arbeit – ihre Berufung – investiert. Sie hat, sehr viel mehr als viele andere, Opfer dafür gebracht. Opfer ist ein großes Wort, ich weiß, dennoch ist es hier angebracht.

Konny war selbstverständlich immer da, immer auf Zack, immer ansprechbar. Und hat nie ein Gewese darum gemacht. Vielleicht auch, weil zu ihrem Leben gehört, was die amerikanische Schriftstellerin Mary Anne Radmacher mal so beschrieben hat: „Mut brüllt nicht immer nur. Mut kann auch die leise Stimme am Ende des Tages sein, die sagt: Morgen versuche ich es nochmal.“

Bascha Mika ist Kuratoriumsmitglied der taz ­Panter Stiftung. Von 1998 bis 2009 war sie Chefredakteurin der taz.

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