LESERINNENBRIEFE
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Eine Scheinwelt für kurze Zeit

■ betr.: „Elfentanz auf der Enterprise“ von Mathias Bröckers,sonntaz vom 15. 8. 09

Vor „die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ die „Änderung des individuellen Bewusstseins und des eigenen Verhaltens“ zu setzen, ist sicherlich der erfolgreichere, wenn auch der mühsamere Weg, weil harte Arbeit an sich selbst erfordernd. Warum Veränderung des „individuellen Bewusstseins“ allerdings mit primitiver Musik und Drogenkonsum zusammengehen muss, entzieht sich deshalb meinem Verständnis. Der Versuch des Einreißens diverser Dualismen durch Musik, Drogen und soziale Beziehungen auf einem Festival ist illusionär und von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es mag ja interessant sein, sich für kurze Zeit eine Scheinwelt aufzubauen, in der man in die Höhe fliegt, doch um so härter knallt man danach wieder auf den Beton des Alltags. Der Artikel ist mir viel zu affirmativ und zu unkritisch. Persönlichkeit muss man sich mit verlässlicheren Methoden entwerfen. Sinnvolle Veränderung sieht anders aus. FRANK BRAMBOSCH, Kamp-Lintfort

Fragwürdige Daten

■ betr.: „Die Krebs-Früherkennung wird überschätzt“,taz vom 14. 8. 09

Angesichts von jährlich mehr als 56.000 Brustkrebsneuerkrankungen und 17.000 Brustkrebstoten halte ich die Schlagzeile „Krebsfrüherkennung wird überschätzt“ gekoppelt mit der Aussage „Falsche Hoffnungen“ in der Unterzeile für ebenso verheerend wie die seit einigen Monaten massiv betriebene Kritik am – endlich flächendeckend in Deutschland angebotenen – Mammografie-Screening durch in der Medizin durchaus umstrittene Experten auf der Basis ebenso fragwürdiger Daten, die von manchen Medien (Spiegel, SZ, taz) gern begierig aufgegriffen wird.

Ich habe selbst eine Brustkrebserkrankung überstanden, bei der dank jährlicher Mammografie ein sehr schnell wachsendes, aggressives Karzinom im Frühstadium – es war noch nicht tastbar – entdeckt wurde. Was der Verzicht auf diese Früherkennung für mich bedeutet hätte, mag ich mir gar nicht ausmalen.

Zynisch finde ich es zudem, wenn ausgerechnet ein Professor für Psychologie (!) davon schwafelt, dass von dem Screening ja ohnehin „nur eine“ Frau mehr als ohne Screening profitiere. Genau die von ihm angeführte Datenquelle ist in der Fachwelt absolut umstritten. Die mangelnde Kompetenz zeigt sich schon in der Verwendung des Begriffs Vorsorge für das Screening. Bei Brustkrebs kann man eben gerade nicht „vorsorgen“ im Sinne von Krankheitsvermeidung; deshalb ist es ja so wichtig, ihn so früh wie möglich zu erkennen. Das ebenso gern von den Screening-Gegnern angeführte Argument, man mache mit einer Früherkennungsuntersuchung die Leute ja nur unnötig verrückt, ist genauso Unsinn. Klar ist das Unbehagen im Zusammenhang mit der Untersuchung kein schönes Gefühl, vor allem dann, wenn wegen eines unklaren Befundes Abklärungsbedarf besteht. Aber wenn am Ende Gewissheit besteht, nicht erkrankt zu sein, macht das ein paar Tage Nervosität mehr als wett. KATRIN ZEISS, Apolda

Gemeinsam arbeiten

■ betr.: „Ein beschränkter Horizont“, tazzwei vom 14. 8. 09

Die Studie zur Förderung von lesbischer, schwuler, bi-, trans- und intersexueller Menschenrechtsarbeit, die von der Dreilinden gGmbH und der Forum for Active Philanthropy gGmbH dankenswerterweise erarbeitet wurde, zeichnet in der Tat ein schwaches Bild von der Förderarbeit deutscher Stiftungen. Dies wird zu Recht vom Autor moniert.

Ich hätte mir aber gewünscht, dass explizit die gemeinnützigen Stiftungen genannt werden (beziehungsweise nicht nur die Parteienstiftungen), die Projekte in diesem Bereich fördern. Progressive Stiftungen sind besonders in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise dringend auf Spendengelder angewiesen, um ihre Förderungen weiter durchführen zu können. Für potenzielle UnterstützerInnen und SpenderInnen wie auch für mögliche ProjektpartnerInnen wäre deshalb eine Übersicht der Stiftungen sehr hilfreich gewesen. Die Frauenstiftung Filia, zu deren Vorstand ich gehöre, fördert seit Beginn der Stiftungsarbeit LGBTI-Projekte nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in Polen, Serbien und Simbabwe. Die Zahl und Höhe der Förderungen von LGBTI-Projekten durch deutsche Stiftungen den vermeintlich höheren Förderungen im Frauenbereich gegenüberzustellen, wie es J. Feddersen in seinem Artikel nahelegt, halte ich für abenteuerlich. Es kann doch nicht sein, dass diskriminierte gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt werden nach dem Motto: Spart mal ein bisschen was bei der Frauenförderung und gebt es den schwulen Männern? Darum kann und darf es keinesfalls gehen. Denn sowohl in der Förderung von LGBTI-Projekten als auch in der Förderung von Frauenprojekten geht es um konkrete Antidiskriminierungsarbeit, das heißt letztendlich um das Erkämpfen und Erhalten von universellen und unteilbaren Menschenrechten. Und für dieses Ziel gilt es, gemeinsam zu arbeiten. Die in der Studie vorgeschlagene bessere Vernetzung könnte sicherlich dazu beitragen. HEIKE PEPER, Hamburg

Berichtigung

■ betr.: „Moralinsauer und spießig“, taz vom 15. 8. 09

Der LeserInnenvorwurf stammte nicht von Sören Köpke aus Hannover, sondern von Martin Jankowski aus Berlin. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen. Die LeserInnenbriefredaktion