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„Gegen Isolation hilft Vernetzung“

Am Freitag veranstalten Initiativen ein Straßenfest für Be­woh­ne­r:in­nen der Flüchtlingsunterkunft in Tegel

Interview Katharina Wulff

taz: Frau Schwarz, die Zustände im Camp in Tegel sind katastrophal: schlechte Gesundheitsversorgung, Hygieneprobleme, Abschottung. Wie kann ein Straßenfest da helfen?

Hanna Schwarz: In erster Linie wollen wir die Isolierung der Menschen aufbrechen. Der Kontakt zwischen dem Camp und den Stadt­be­woh­ne­r:in­nen ist recht schwer und wir haben den Eindruck, dass er auch nicht gewünscht ist. Darum haben wir bei dem Fest die Möglichkeit, von den Be­woh­ne­r:in­nen zu erfahren: Was braucht ihr? Wie können wir euch unterstützen? Gleichzeitig können die Menschen mit Organisationen und Verbündeten in Kontakt kommen, um sich Unterstützung zu holen. Vernetzung hilft am besten gegen Isolation und Vereinzelung.

taz: Das Fest dient also vor allem der Vernetzung?

Schwarz: Natürlich soll es auch einfach eine schöne Zeit für alle sein. Es wird kurdisches und ukrainisches Essen geben, außerdem Musik und Kinderprogramm. Aber unser Anliegen geht darüber hinaus: Wir kämpfen dafür, dass solche menschenunwürdigen Aufnahmelager nicht mehr gebaut werden.

taz: Welche anderen Ziele verfolgt Ihre Initiative Tegel Assembly?

Schwarz: Wir wollen eine Bewegung aufbauen, die sich kritisch mit dem aktuellen Lagersystem auseinandersetzt. Langfristig ist unser Ziel, dass niemand mehr im Tegel-Camp wohnen muss. Natürlich kann man dafür nicht einfach nur das Lager auflösen, sondern muss Menschen bei der Wohnungssuche unterstützen.

taz: Ist das realistisch?

Hanna Schwarz engagiert sich in der Initiative Tegel Assembly, die das Straßenfest organisiert.

Schwarz: Natürlich wissen wir, dass das Lager nicht sofort geschlossen wird und alle Be­woh­ne­r:in­nen dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Darum müssen wir in vielen Situationen pragmatisch sein – ohne gutgläubige Un­ter­stüt­ze­r:in­nen zu sein. Momentan fehlt es im Lager an allem Möglichen. Für viele Be­woh­ne­r:in­nen geht es erst einmal um Grundbedürfnisse, nicht um einen Kampf gegen das deutsche Asylsystem.

taz: Wie ist die Tegel Assembly entstanden?

Schwarz: Im vergangenen November gab es im Camp einen rassistischen Angriff auf Kurd:innen. Daraufhin haben sich Be­woh­ne­r:in­nen zusammengetan, um die Zustände anzuprangern. Die Brandbreite an Menschen, die sich mittlerweile engagieren, reicht von kurdischen Ak­ti­vis­t:in­nen über Antifa-Gruppierungen bis hin zu Einzelpersonen aus der Klima­bewegung.

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