: Warten auf den Superstar
MUSEUM LUDWIG Vom Beton zum Plastik, vom Minimalismus zur Opulenz: Das Werk von Isa Genzken ist stark und vielschichtig. Das beweist die Kölner Retrospektive
VON MARKUS WECKESSER
Mit Pauken und Trompeten wurde vor zwei Jahren der Auftritt von Isa Genzken im Deutschen Pavillon der Biennale inszeniert. Es war ein grandioses Spektakel. Und es floppte. Nicht künstlerisch, dafür marketingtechnisch. Denn Isa Genzken ist nicht zu dem internationalen Superstar in der Kunst aufgestiegen, der seit langem mit aller Kraft von Kuratoren und Journalisten beschworen wird. Das Geraune von einer Legende und ersten Liga haben ebenso wenig genützt wie der Wunsch der Künstlerin, mit Hilfe eines Porträts von Wolfgang Tillmans zukünftig auf der Straße erkannt zu werden. In der vergangenen Woche wurde im Kölner Museum Ludwig erneut ein Versuch gestartet, um die Berlinerin an die Spitze zu katapultieren. Anlässlich der Vorstellung ihrer ersten umfassenden Retrospektive war abermals die Rede von einer sehr scheuen Person, die leider immer noch als Geheimtipp gehandelt werde. Das nervt und dient der Kunst wenig.
Offensichtlich braucht das Publikum einfach mehr Zeit, um Zugang zu ihren Arbeiten zu finden. Jedenfalls ist Isa Genzkens Werk stark und extrem vielschichtig. Die Kölner Ausstellung beweist es mit beinahe jedem Exponat aus inzwischen über dreißig Schaffensjahren. Vom Beton zum Plastik und vom Minimalismus zu opulenten Installationen reicht das beeindruckende Spektrum, an dessen Anfang die jüngste Arbeit „Straßenfest“ steht. Vor einer Wand mit zwei Spiegelreihen im Vorraum der Schau reihen sich sechs Einkaufs- und Palettenwagen zu einem Umzug irgendwo zwischen Karneval, Christopher Street Day und Totentanz. Fahrer der wackeligen Objekte sind Kleiderpuppen, die die Künstlerin mit Farbe besprüht und mit bizarren Accessoires ausstaffiert hat.
Den Zugang zum Hauptraum der Ausstellung „Sesam. Öffne dich!“ flankieren zwei ihrer frühesten Arbeiten. Sowohl die Weltempfänger, Transistorradios aus Beton, als auch die abstrahierten Lautsprecher aus dem gleichen Material stimmen auf wiederkehrende Aspekte in Isa Genzkens Werk ein, etwa das Senden und Empfangen sowie die Wechselwirkung von Innen- und Außenwelt. Um Letzteres geht es auch in der zweiteiligen Arbeit „Venedig“. Jeweils zwei hohe Fensterflügel stehen einander wie Fragmente eines Palazzo gegenüber. Obgleich gefärbt, ist das verwendete Epoxidharz transparent, was den Blick auf die eiserne Trägerkonstruktion freigibt. Die Platzierung der Arbeit, quasi als Doppelung der Eingangssituation, ist charakteristisch für den überzeugenden Aufbau insgesamt.
Fragen zur Stellung vom Kunstwerk im Raum spielten bereits bei den Ellipsoiden eine Rolle. Dabei handelt es sich um sechs Meter lange Holzstäbe in Form überdimensionierter Zahnstocher, die auf einem Punkt in der Mitte aufliegen und teilweise eingeschnitten sind. Der Besucher kann die ästhetisch autonomen Objekte nicht von einem Standpunkt aus erfassen. Er muss sie umgehen. Ebenso deren Gegenstücke, die Hyperboloiden, also konvex gebogene Körper. Während die Künstlerin für diese Arbeiten mit Handwerkern kooperierte, die ihre Pläne ausführten, fertigte sie die strengen Betonskulpturen, die wie Überbleibsel von Rohbauten wirken, selbst.
Die bildhauerische Auseinandersetzung mit architektonischen Visionen der Moderne wird einerseits um spielerische Experimente, etwa die Modelle von Strandhäusern zum Umziehen, andererseits um eher persönliche Skulpturen wie die Säulen ergänzt. Diese drei Meter hohen Stelen bestehen aus Holz, Spiegeln, Glas und Metall und sind nach Freunden der Künstlerin benannt. Viel Humor legte Isa Genzken in einen Projektentwurf für das AT&T-Hochhaus in New York. Sie schlug vor, dem auf sie bedrohlich wirkenden Wolkenkratzer Antennen aufzusetzen, die wie die Fühler eines Insekts abstehen. Nicht weniger Witz haben die Selbstporträts in Form von Röntgenbildern.
Vor knapp fünfundzwanzig Jahren campierte Isa Genzken anderthalb Wochen vor dem Büro von Kasper König, um an einer von diesem kuratierten Ausstellung teilzunehmen. Die Beharrlichkeit der jungen Frau überzeugte den jetzigen Direktor des Museums Ludwig und er lud sie zur Teilnahme ein. Heute bedarf es solcher Aktionen nicht mehr.
■ Bis 15. November 2009, Museum Ludwig, Köln. Katalog 28 €