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Archiv-Artikel

Handy raus, Licht an

Im ostwestfälischen Dörentrup sind nachts die Laternen aus. Wer was sehen will, muss anrufen

Dörentrup ist eine kleine Gemeinde in Ostwestfalen. Sie liegt friedlich im Lippischen Bergland, zwischen der Weser und dem Teutoburger Wald, die nächste größere Stadt ist das sieben Kilometer entfernte Lemgo. 8.500 Menschen wohnen in Dörentrup und die Gemeinde wäre wahrscheinlich niemandem weiter aufgefallen, wenn nicht irgendwann ein Dörentruper eine Idee gehabt hätte, die sich gerade als bahnbrechend herauszustellen scheint.

In Dörentrup ist es seit kurzem möglich, die Straßenbeleuchtung nachts mit dem Handy zu steuern. Der Normalzustand: Alle Laternen werden um 21 Uhr ausgeknipst. Danach ist es erst einmal finster in Dörentrup. Wer jetzt noch unterwegs ist, hat zwei Möglichkeiten. Entweder, er oder sie schreitet tapfer pfeifend durch die schwarze ostwestfälische Nacht nach Hause. Oder er oder sie hat ein Handy dabei und schaltet kurzerhand auf dem Heimweg das Licht ein.

Das Projekt heißt „Dial4Light“ und funktioniert so: Man registriert sich mit Namen und Telefonnummer im Internet. Jede Straße hat einen eigenen Code. Nachts ruf man dann eine zentrale Telefonnummer an, gibt den Code der Straße ein, die vor einem liegt, und eine Sekunde später ist es hell. Fünf bis fünfzehn Minuten lang, je nach Länge der Strecke. Danach geht das Licht automatisch aus. Das kostet den Bürger nicht mehr als die Gebühren für den Anruf.

Die Gemeinde verringert so Umweltbelastung und Energiekosten: Seit die erste Teststrecke lief, hat man umgerechnet 20 Tonnen CO2 eingespart. Der Stadtrat hat jetzt entschieden, Dial4Light flächendeckend in ganz Dörentrup einzuführen. „Ich finde es generell sinnvoll, sich als Kommune immer die Frage zu stellen: Ist für das, was wir tun, ein Bedarf da?“, sagt Bürgermeister Friedrich Ehlert von der CDU. „Und es ergibt keinen Sinn, die ganze Nacht das Licht brennen zu lassen, wenn niemand auf der Straße ist.“ Eine Wohnung sei nachts schließlich auch nicht überall erleuchtet. „Und vor dem Hintergrund der Klimadiskussion und der Endlichkeit fossiler Energie halte ich das für sehr wichtig. Wenn es nur einen Euro einspart – warum soll ich Energie verschwenden, wenn ich das nicht brauche?“

Die Idee zu Dial4Light hatte der Dörentruper Dieter Grote. Damals kam die Dunkelheit noch um 23 Uhr, seine Kinder von Partys jedoch oft später nach Hause. Natürlich im Dunkeln, denn welcher Teenager lässt sich schon gerne von den Eltern abholen? Deshalb wandte sich Grote an die zuständigen Stadtwerke in Lemgo. Es müsse doch eine Möglichkeit geben, für individuelle Straßenbeleuchtung zu sorgen. Gemeinsam wurde Dial4Light entwickelt und in Dörentrup eingesetzt. „Der Akzeptanztest in der Bevölkerung war sehr, sehr erfolgreich“, erklärt Frank Bräuer, der Projektleiter der Stadtwerke Lemgo.

So erfolgreich, dass sich die Stadtwerke dazu entschlossen, das umweltfreundliche Projekt weltweit zu vermarkten. „Dial4Light funktioniert natürlich nur im ländlichen Raum“, sagt Bräuer, „in größeren Städten braucht man Licht auch nachts.“ Dennoch ist das Interesse groß. Täglich erreichen die Stadtwerke Lemgo neue Anfragen, aus Japan, Australien, Island, Schweden, Norwegen, den USA. Für September hat sich Besuch aus Frankreich und Finnland angekündigt. Seit dem 1. Juli wurden 200 Lizenzen verkauft, die ersten Gemeinden in Brandenburg und im Erzgebirge setzen Dial4Light bereits ein.

Und Dörentrup? „Wir genießen zur Zeit ein reges Medieninteresse, auch aus dem Ausland“, sagt Bürgermeister Ehlert und freut sich. „Wenn Dial4Light weltweit installiert ist, werde ich mal schön zu den Stadtwerken gehen und eine Provision für die Gemeinde fordern“, sagt er trocken.

BENJAMIN WEBER