Neuer Wien-„Tatort“: Ein authentischer Rap-Krimi

Ein Rapper haut mitten im Song ab, wenig später liegt er tot in einer Blutlache. Der neue Wien-„Tatort“ ist ein ganz famoser Start nach der Pause.

Aleksandar Simonosvski aka "Yugo" mit blondierten kurzen Haaren, er trägt einen hellblauen Bademantel. Hinter ihm stehen junge Leute mit alkoholischen Getränken in der Hand

Der gut aussehende Ted Candy ist ein Megastar Foto: Petro Domenigg/ARD

Da staunt Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) nicht schlecht. Was, 250.000 Follower hat dieser gewisse Ted Candy? „Ich hab 26 Follower“, sagt Eisner zur Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und dachte sich, dass das schon viele wären … Aber wer ist bitteschön Ted Candy?

Beide Ermittler kennen noch nicht mal den Namen des toten Rappers. Das ist nicht schlimm. Wir alle leben halt in Parallelwelten. Also tauchen wir in diesem neuen Wiener „Tatort“ mal in eine solche hinab. Das ist, um es vorwegzunehmen, ein ganz famoser Start nach der viel zu langen Sommerpause.

Der gut aussehende Ted Candy (Aleksandar Simonovski aka Jugo Ürdens – ein österreichischer Rapper und Musikproduzent) ist ein Megastar. Eben stand er noch auf der Bühne eines Clubs und rappt: „Akman, du bist eine Lunte. Ohne mich bist du nichts. Ich hab dich gemacht.“ Doch mit dem smarten jungen Mann stimmt was nicht – ist er krank? Hat er einfach zu viel intus? Er haut einfach mitten im Song ab und schnappt sich sein Motorrad. Wenig später liegt er tot in einer Blutlache, erschlagen. Es war wohl kein Raubmord, die Geldbörse ist noch da, das Smartphone natürlich ist weg.

Moritz und Bibi nehmen die Ermittlungen auf, ganz im Stile eines Whodunit-Krimis. Die Mutter des Toten ist natürlich am Boden zerstört, aber noch oder schon wieder zugedröhnt. Sie war am Abend zuvor beim Konzert des Sohnes. „Alle haben ihn geliebt“, gibt sie zu Protokoll. Naja, das kann ja gar nicht stimmen.

Es gibt mehrere Verdächtige. Seine Mutter wird alles erben, auch die neue Eigentumswohnung, in der sie mit ihrem Sohn zusammenlebte. Da ist ein Clubmitarbeiter, der wohl mehr als Freundschaft für den toten Rapper empfindet, eine später auftauchende Videoaufnahmen legt das nahe. Da ist ein Nachwuchs-Rapper – er beschimpft Ted Candy als „Schwuchtel“.

Und da ist natürlich der schon besungenen Akman Onur (Murat Seven), ein Rapper mit – das Klischee lässt grüßen – krimineller Vergangenheit, bei dessen Label einst Ted Candy unter Vertrag stand. Akman hat sich übrigens revanchiert, natürlich rappend: „Ich hab dich groß gemacht, ab morgen lebst du jeden Tag in Todesangst.“ Tja, wenn das keine Drohung ist? Aber wie man so sagt im Rapper-Slag: Die beiden haben einen Beef.

Ist das echt oder inszeniert?, will Bibi wissen, und lernt, dass das meiste, die ganzen Drohungen, die vielen Kraftausdrücke, einfach nur Kalkül sind. So ein Battle gehört halt zur Show, erklärt die junge Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) den älteren Semestern. Das ist so, als ob sich Rapper eine Maske aufsetzen. „Real“ ist hier gar nichts. Auf dicke Hose machen ist aber gut fürs dicke Portemonnaie.

Okay, die Story ist ganz schön überladen. Doch man kann gut folgen, das Tempo ist hoch. Es gibt keine Logiklücken. Dafür genretypischen Wendungen. Es geht um einen Labelwechsel, also viel Geld, und niederste Instinkte, und ein bisschen um die Liebe. Und dann kommt die Vergangenheit ins Spiel – man kennt sich halt von früher. Das hat fatale Folgen.

Die vielfach ausgezeichnete Regisseurin Mirjam Ungers macht hier alles richtig und hat es geschafft, keinen Lehrfilm über das Rapper-Milieu zu drehen. Denn klar ist ja: Das ist eine Generationsfrage. Wenn Moritz und Bibi keinen blassen Schimmer von Rap haben, weiß die junge Kollegin sehr wohl, wer Ted Candy ist bzw. war. Sie vermittelt ihren Kollegen fehlendes Wissen (die beiden sind durchaus lernfähig) – und damit dem sicher teilweise unwissenden Publikum.

Das ist klasse gemacht und eben nicht belehrend. Ein großes Plus: durch die Mitwirkung von Jugo Ürdens und anderen echten Rapper:innen, durch Drehs an Originalschauplätzen in der Szene, bekommt der „Tatort“ etwas authentisches.

Und es gibt eine unerwartete wie kurze Traumsequenz. Bibi geht der Fall wie immer an die Nieren, da träumt sie halt schlecht: Sie und Moritz und all die anderen Kol­le­g:in­nen bieten sich auf einer Brücke einen Battle, also einen Wettstreit (wie man es altmodisch nennen würde) mit Ted Candy und all den anderen Typen der Rap-Szene. Sie singen und rapppen und tänzeln und gestikulieren, was das Zeug hält. Das ist schon witzig und ironisch gemeint und halbwegs gut gemacht – Jugo Ürdens hat den Song geschrieben und den Schau­spie­le­r:in­nen die Dance-Moves beigebracht. Aber es wäre auch ohne diese Szene gegangen.

Wien-„Tatort“: „Deine Mutter“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr; One, 21.45 Uhr, anschließend in der ARD-Mediathek

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