Aktivistin vor Landtagswahl in Thüringen: „Nicht alle jubeln Höcke zu“

Gemeinschaft schützt vor Extremismus. Lina Herzog vom Thüringer Bündnis „Dorfliebe für alle“ weiß, wie man der AfD die Stirn bietet.

Klare Kante: „Dorfliebe für alle“ in Aktion Foto: Hannes P. Albert/dpa

taz: Frau Herzog, vor der Landratswahl im Januar haben Sie mit Ihrem Bündnis „Dorfliebe für alle“ erfolgreich zur Wahl des CDU-Kandidaten aufgerufen, um die AfD zu verhindern. Wie positionieren Sie sich nun vor der Landtagswahl?

Lina Herzog: Wir rufen dazu auf, an dieser Landtagswahl in Thüringen teilzunehmen und demokratische Parteien zu unterstützen. Wir informieren über strategisches Abstimmungsverhalten, zum Beispiel, wenn es darum geht, die Grünen oder die Linke in den Landtag zu bringen. Aber wir möchten uns nicht explizit für eine Partei positionieren, da wir uns als überparteilich und nicht-parteilich verstehen. Trotzdem ist uns klar, dass die Stimmenverteilung einen Unterschied macht.

taz: Fordern Sie diesmal nicht explizit zur Unterstützung der CDU auf?

Herzog: Nein. Bei der Landratswahl haben wir dazu aufgerufen, eine demokratische Partei zu wählen, als es zur Stichwahl zwischen AfD und CDU kam. Es war uns wichtig, nicht direkt für jemanden zu werben, obwohl klar war, dass der CDU-Kandidat Christian Herrgott die einzige Option war, um die AfD zu verhindern.

ist 24 Jahre alt und eine von 20 In­itia­to­r*in­nen des Bündnisses „Dorfliebe für alle“. Sie arbeitet beim Rettungsdienst und lebt in Neustadt an der Orla.

taz: Wie erleben Sie die Stimmung im Wahlkampf in Ihrem Landkreis?

Herzog: Die Menschen, die zu uns kommen, teilen viele Sorgen, manchmal auch Ängste über die Zukunft. Die Stimmung im Landkreis wird oft nur an Wahlen gemessen, aber die Frage, wie wir unsere Demokratie schützen, beschäftigt uns täglich. Der Erfolg unserer Arbeit zeigt sich, wenn wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und etwas verbessern können, was sie beschäftigt. Zum Beispiel die Einsamkeit, die in der Gesellschaft weit verbreitet ist.

taz: Was tun Sie konkret, um gegen rechts zu mobilisieren?

Herzog: Wir haben im Mai ein Demokratiefest veranstaltet, bei dem sich ganz unterschiedliche Menschen getroffen haben und ins Gespräch gekommen sind. Seit Juni gibt es auch eine Wandergruppe für Frauen, insbesondere für Mütter und Frauen, die zu uns in den Landkreis geflüchtet sind, um einen Raum für Austausch zu schaffen.

Außerdem haben wir kurz vor der Wahl mehrere Mahnwachen organisiert, als Reaktion auf die Sommerfeste der AfD, bei denen Björn Höcke auftrat. Dabei haben wir eine Kunstaktion entwickelt, die die Werte des Grundgesetzes symbolisch als Mauer darstellt – eine Mauer, die nicht eingerissen werden darf.

taz: Welche Reaktionen kommen von den Menschen?

Herzog: Es entsteht Mut und Zuversicht, nicht allein zu sein. Diese Aktionen stärken das Gemeinschaftsgefühl und ermutigen die Leute, sich auch im Alltag gegen Rassismus zu positionieren. Viele entdecken überraschend Gleichgesinnte in ihrem Umfeld. Das macht es einfacher, sich gegen extremistisches Gedankengut zu stellen und für die demokratischen Werte zu kämpfen, die uns im Saale-Orla-Kreis wichtig sind.

taz: Sprechen Sie auch mit Rechten?

Herzog: Ja, aber weniger bei den Gegenprotesten. Es ist wichtig, Wege zu finden, um mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen. Wir erleben immer wieder, wie tief verankert rechte bis faschistische Ideen in Teilen der Gesellschaft sind.

taz: Was würde eine AfD in der Landesregierung für Ihre Arbeit bedeuten?

Herzog: Die größte Sorge ist, dass unsere Fördermittel massiv gekürzt würden. Unsere Arbeit hängt stark von diesen Mitteln ab, da viele unserer Veranstaltungen durch Förderanträge für Demokratieprojekte finanziert werden.

taz: Was bieten Sie an, damit sich mehr Menschen für die Demokratie engagieren?

Herzog: Unser Bündnis versteht sich als Stimme der Gesellschaft, die wenig repräsentiert ist. Wir bieten einen Raum, in dem Menschen Fragen stellen und Antworten finden können. Besonders wichtig ist mir, Angebote für junge Menschen zu schaffen, um ihnen eine positive Verbindung zu ihrer Heimat zu ermöglichen.

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taz: Wie finden Sie die Berichterstattung über die Wahlen im Osten?

Herzog: Es wird oft versucht, das Bild des „verlorenen Ostens“ zu entkräften, aber das geschieht meist, indem man erst das Klischee bedient und dann widersprochen wird. Dabei sind hier nicht alle rassistisch oder jubeln Höcke zu. Es ist wichtig, die Realität differenziert darzustellen, um Ostdeutschland nicht dem Rechtsextremismus zu überlassen.

taz: Wie wird Ihr Engagement über die Wahl hinaus weitergehen?

Herzog: Wir arbeiten daran, mehr Austausch zwischen Einheimischen, Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten im Saale-Orla-Kreis zu schaffen. Im Herbst werden wir uns wieder stärker darauf konzentrieren, den Alltag so zu gestalten, wie wir ihn uns wünschen, unabhängig von den Wahlterminen.

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