Pläne für den Molkenmarkt: Molkenmarkt alias Gezi-Park

Ak­ti­vis­t*in­nen befürchten fehlende soziale Gerechtigkeit bei der Neugestaltung des Molkenmarkts. Diskussion über Ansätze.

Der Molkenmarkt soll umgestaltet werden. Über die Neugestaltung wird diskutiert Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Noch tobt sich die Archäologie am Molkenmarkt in Mitte aus. Der Platz ist der älteste in Berlin, bei den weiterhin andauernden Ausgrabungen ist man bereits auf allerlei historische Artefakte gestoßen. Die Ausgrabungen sind aber freilich nur die Vorstufe zu dem, was seit einer ganzen Weile als Projekt Wiederbelebung Molkenmarkt vorangetrieben wird. Das Quartier zwischen dem Nikolaiviertel und der Shopping-Mall Alexa soll bald völlig neu gestaltet werden. Zumindest anteilig sollen bezahlbare Wohnungen entstehen, außerdem Raum für Kultur. Angestrebt wird ein Baubeginn im Jahr 2026.

Nachdem Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt vor zwei Jahren ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Neugestaltung des Molkenmarkts erfolglos abgebrochen hatte, sind viele, die sich für den Platz interessieren, besorgt.

Befürchtet wird, so formuliert es Ole Kloss von der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“, auf einer von der Gruppierung organisierten Veranstaltung zum Molkenmarkt am Samstag, eine „autoritäre Stadtplanung von oben“ und das Ende des Traums eines „sozialen, bezahlbaren, ökologischen Wohnquartiers“.

Deutsche Wohnen und Co. Enteignen hat gemeinsam mit dem Kiosk of Solidarity und verschiedenen Initiativen kritischer Ar­chi­tek­t*in­nen neben die Klosterruine in Mitte geladen, um zu erörtern, was sich aktivistisch gegen dieses befürchtete Szenario unternehmen lässt. Wie lässt sich eine sichtbare Bewegung organisieren, die sich für die Entstehung eines sozial durchmischten Viertels stark macht? Und wie schafft man es, die breite Öffentlichkeit dazu zu bewegen, sich mit dem undurchsichtigen Treiben und Plänen von Petra Kahlfeldt auseinanderzusetzen?

Man könne von den Gezi-Protesten lernen

Denn lässt man die Senatsbaudirektorin einfach machen, da sind sich alle Podiumsver­tre­te­r*in­nen einig, bekommt man eine Architektur im Sinne der konservativen Rekonstruktion vorgesetzt und Wohnungen, die sich doch nur Besserbetuchte leisten können. Bislang könne man bedauerlicherweise kaum von einer echten Proteststimmung gegen den als intransparent angesehenen Gestaltungswillen Kahlfeldts reden.

Um das zu ändern, könne man vielleicht von den Gezi-Protesten 2013 in Istanbul lernen, so der originelle und etwas überraschende Ansatz der Veranstaltung. Damals lösten die Pläne Erdoğans, den beliebten Gezi-Park in Istanbuls Stadtzentrum mit einer „Residenz für den Präsidenten für seine Balkonreden“ zu bebauen, wie das der Urbanist Orhan Esen auf dem Panel formuliert, gewalttätige Massenproteste aus. Am Ende musste Erdoğan seine Pläne begraben. Hat man es am Molkenmarkt wirklich mit einer vergleichbaren Situation, wie in Istanbul vor elf Jahren zu tun oder ließe sich diese zumindest herbeiführen?

Darüber gehen die Meinungen auf dem Podium auseinander. Allen ist klar, dass es natürlich grundsätzliche Unterschiede gibt. Würde Olaf Scholz vorhaben, mitten im Görlitzer Park eine Sommerresidenz zu bauen, würden zumindest in Kreuzberg die Leute ganz sicher schnell auf den Barrikaden sein. Was aber an einem extrem unattraktiven Ort wie dem Molkenmarkt geschieht, löst dagegen bislang kaum Emotionen bei den Ber­li­ne­r*in­nen aus.

Der Architekt und Aktivist Yasser Almaamoun findet, dass man, zumindest was autoritäre Repression angeht, in Berlin schon fast türkische Zustände erreicht habe. Er spricht von Polizeigewalt auf Pro-Palästina-Demos und zunehmender Unterdrückung von Meinungsfreiheit. Eine Analyse, die der Architekturtheoretiker und Vizepräsident der Akademie der Künste, Anh-Linh Ngo, entschieden zurückweist. Ein Vergleich zwischen heutigen Palästinenserdemos und damaligen Protesten im Gezi-Park sei nicht ziehbar.

Am Ende bleibt Ratlosigkeit, inwiefern sich wirklich von den Ereignissen im Gezi-Park etwas auf die heutige Situation am Molkenmarkt übertragen lässt. Eine brauchbare „Formel, warum sich die Menschen hier versammeln sollen“, wie sie sich Anh-Linh Ngo wünscht, wird weiterhin gesucht.

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