: „Ich will in den Bundestag“
Die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz macht es offiziell: Nach 14 Jahren im Abgeordnetenhaus kandidiert sie für den Bundestag: „Liberalität will ich Beckstein und Schily nicht allein überlassen“
INTERVIEW MATTHIAS LOHRE
taz: Frau Klotz, die Bundestags-Neuwahlen drängen viele Politiker früher als erwartet dazu, Farbe zu bekennen. Wo sehen Sie sich nach der Wahl im Herbst?
Sibyll Klotz: Ich überlege seit längerem, ob ich nach so vielen Jahren im Abgeordnetenhaus nach einer neuen Herausforderung suche, und habe jetzt früher entschieden als geplant. Ich bewerbe mich um einen Platz auf der Berliner Landesliste für die Bundestagswahlen.
Wollen Sie immer in der Opposition bleiben: erst über Jahre im Abgeordnetenhaus und ab Herbst im Bundestag?
Ich kandidiere nicht für Regierung oder Opposition, sondern für die Grünen und bestimmte Inhalte. Schauen Sie sich einmal an, wie viele Veränderungen die Grünen bis 1998 aus der Opposition heraus bewirkt haben, etwa beim Umweltschutz oder bei der Gleichstellungspolitik. Wir werden auch weiter gebraucht.
Dazu müssen Sie es erst mal in den Bundestag schaffen. Ein linkes Wahlbündnis könnte die Grünen entscheidende Stimmen kosten. Was, wenn Ihre Partei an der Fünfprozenthürde scheitert?
Das kann und will ich mir gar nicht vorstellen. Ein solches Horrorszenario wurde in der Vergangenheit ja immer wieder beschworen. Erst hieß es, die Partei habe ihre „historische Mission“ erfüllt. Dann gab es einen Riesenhype im vergangenen Jahr, als alle sagten: Ohne die Grünen läuft nichts. Und jetzt stellen geneigte Kreise wieder die Existenzfrage. Es gibt alte und neue Themen, für die die Grünen unverzichtbar sind. Liberalität und Zuwanderung möchte ich weder Beckstein noch Otto Schily allein überlassen.
Und was ist mit Christian Ströbele? Tritt er noch mal an?
Ich würde Christian Ströbele gern wieder dabei haben, in welcher Konstellation auch immer. Er ist eine wichtige grüne und linke Integrationsfigur.
Sie hinterlassen eine Fraktion, die sich ein Jahr vor den Abgeordnetenhaus-Wahlen neu aufstellen muss. Mit welchem Zugpferd wollen die Grünen 2006 in den Wahlkampf gehen?
Meine Nachfolgerin als Fraktionsvorsitzende und eine Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl stellen wir zu gegebener Zeit auf. Und im Übrigen muss ich erst mal gewählt werden. Erst von der Mitgliedervollversammlung und dann von den Wählerinnen und Wählern.
Was ist mit Michaele Schreyer? Die Ex-EU-Kommissarin hätte wieder Zeit.
Hat sie? Fragen Sie Michaele Schreyer selbst.
Wenn es 2006 einen rot-grünen Senat geben sollte: Kommen Sie dann in die Landespolitik zurück, etwa als Senatorin?
Ach Gott. Da halte ich’s mit Klaus Töpfer, als er gefragt wurde, ob er CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhaus-Wahlen werden wolle: „Ich habe wirklich viele Sorgen, aber das sind nicht meine Sorgen.“ Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich will in den Bundestag, ein gutes Grünen-Wahlergebnis und einen inhaltlichen Beitrag leisten.
Das heißt?
Das heißt, wir brauchen kein „Weiter so“, sondern klare Weichenstellungen: Unter anderem hin zu einer Bürgerversicherung und der Weiterentwicklung von Hartz IV hin zu einer sozialen Grundsicherung.
In jüngster Zeit ist wieder von der Möglichkeit schwarz-grüner Koalitionen die Rede.
Solche Debatten finde ich überflüssig. Diejenigen, die sie betreiben, sollten sofort damit aufhören und sich daran erinnern, dass Grüne auch einiges vorzuweisen haben: vom Atomausstieg über erneuerbare Energien bis zu den eingetragenen Partnerschaften.
Sind solche Äußerungen nicht reine Notwehr? Sie versuchen, im Richtungswahlkampf nicht zwischen den beiden großen Parteien zerrieben zu werden.
Nein. Wir müssen Koalitionsüberlegungen in erster Linie über Inhalte definieren und nicht über strategische Erwägungen. Und wir stehen allem, was hierzulande links ist, viel näher als der CDU.