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Archiv-Artikel

In Deutz ist für Köln Endstation

Weltkulturerbe hin oder her – die Kölner Stadtspitze muss bei der Entwicklung der Gegend um den Deutzer Bahnhof eine Kehrtwendung machen. Eine notwendige Zustandsbeschreibung

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Denis Ricard ist von dem Anruf überrascht. Lange hatte sich niemand mehr aus Köln gemeldet. Man habe die Stadt bereits 1997 und 1998 als Beobachter eingeladen, sagt der Präsident der Organisation der Welterbestädte (OWHC) mit Sitz in Quebec. Das Angebot wurde allerdings abgelehnt. „Selbstverständlich“, so Ricard weiter zur taz, wäre es ein Vorteil für Köln, der OWHC beizutreten. „Wir sind immer froh, unseren Mitgliedern helfen zu können“, sagt er mit einem Hauch Ironie. Der Kulturkenner aus dem Osten Kanadas weiß natürlich um die Probleme, die Köln beim Erhalt des Weltkulturerbestatus seines Doms hat. Schließlich hat er vergangene Woche den Auftritt der Kölner Gesandten bei der Wiener Unesco-Konferenz live miterlebt.

Doch im verschlafenen Köln am gemütlich plätschernden Rhein kümmert man sich nicht um weltumspannende Netzwerke wie die OWHC. Wenn als eine Konsequenz der Landtagswahl nun vom 22. Mai der grüne Städtebauminister Michael Vesper aus dem Amt scheidet, wird sich für Köln in der Sache Dom das vorletzte Ohr zur Welt schließen. Übrig bleibt Birgitta Ringbeck als Delegierte beim Welterbekomitee, die sich redlich bemüht, den Dom von der Roten Liste der Unesco zu bekommen. Doch ganz ohne Beistand aus dem Kölner Rathaus wird die Referatsleiterin für Baudenkmalschutz erfolglos bleiben.

Wie auch immer der Zwist mit der Unesco ausgeht – eins ist in den Monaten der zähen Auseinandersetzung um das Weltkulturerbe Dom deutlich geworden: In guten Händen ist die Stadtentwicklung in der Domstadt nicht. Auch wenn der zuständige Dezernent Bernd Streitberger bemüht ist, Brücken zwischen seinem Vorgesetzten Fritz Schramma und der Weltorganisation zu bauen, auch wenn der Sprecher der hiesigen Unesco-Sektion nun beruhigt, Streitbergers Auftritt vergangene Woche in Wien sei als „Entgegenkommen“ aufzufassen, besteht kein Grund zum Zurücklehnen. Im Gegenteil: Die Legitimierung des städtebaulichen Fiaskos, das unter Schramma im altehrwürdigen Deutz angerichtet wird, wäre das Schlimmste, was der Stadt passieren könnte. Dieses Fiasko besteht aus drei Komponenten, die in dieser Schärfe leider benannt werden müssen: Ignoranz, Arroganz und Dilettantismus.

Ignoranz, weil offenbar keiner der Verantwortlichen einen Schimmer davon hat, wie Architektur internationale Bedeutsamkeit erlangt. Sonst wäre man im Amt des OB darüber informiert, dass sie sich nicht über eine Stadt hinweg setzen, sondern mit dem Gegebenen harmonieren sollte, um dieses im Niveau zu heben. Und man wäre informiert, dass die neuen Bauten ihren Kontext benötigen, um selbst Wurzeln zu schlagen und angenommen zu werden. Man wüsste, dass erst dann auf lange Sicht ein Weltrang winkt.

Für die Entwicklung des „neuen Deutz“ war der Stadt selbst eine Bedarfsanalyse zuviel des Zugeständnisses an Bürgerinteressen – von einem Verkehrskonzept ganz zu schweigen. Darin äußerte sich bereits 2003 die Arroganz, die sich dann im Auftreten gegenüber der Unesco fortsetzte und ihren vorläufigen hässlichen Höhepunkt in Schrammas Äußerung erreicht hat, von einem libanesischen Unesco-Vertreter müsse man sich das Kölner Stadtbild nicht erklären lassen.

Dass solche verbalen Misstöne öffentlich angestimmt werden und die Stadtoberen offenbar tatsächlich auch noch davon ausgehen, im Recht zu sein, zeugt von politischem Dilettantismus gröbster Art. Aus ihrer Sackgasse versucht sich die hilflose Trias aus dem elefantösen Schramma, dem klammen Kämmerer Peter-Michael Soénius und dem weisungsgebundenen Streitberger nun mit dem Argument zu manövrieren, man brauche das Geld und müsse deshalb Hochhäuser bauen – egal, welchen Schaden der Dom dabei nimmt. Eine politische Bankrotterklärung.

Vor der Genehmigung des „LVR-Turms“ war im Amt für Wirtschaftsförderung bereits klar, dass die Planungen von der Deutschen Bahn abhängen. „Wenn die Bahn abspringt, wäre das eine Katastrophe“, raunte damals ein hoher Stadtbeamter. Nun ist die Bahn abgesprungen, der Deutzer Bahnhof allein Sache der Stadt. Weil rund 65 Millionen Euro an den Erbbauverein der Wohnhäuser neben dem Bahnhof fließen, will die Stadtkämmerei das Geld jetzt offenbar über den Verkauf von Grundstücken wieder einspielen. Und je höher gebaut werden darf, desto mehr bringt so ein Stückchen Erde am Rhein.

Leute, die weiter blicken als auf die nächste Haushaltssitzung, schlagen nun einen neuen städtebaulichen Wettbewerb vor. Der ehemalige Chef der deutschen Unesco-Sektion, Peter P. Canisius, rührt dafür zurzeit die Werbetrommel (siehe Interview unten). Bei Schramma ist er bislang abgeblitzt.