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Archiv-Artikel

Frustbewältigung im Alltag

BUNDESLIGA Hannover 96 und Schalke 04 verbindet das Ausscheiden aus der Europa League – nun spielen sie gleich am Sonntag in der Bundesliga gegeneinander

AUS HANNOVER FRANK HELLMANN

Es bedarf gar nicht der prophetischen Gabe eines Weltstars, um den weiteren Ausgang der europäischen Klubwettbewerbe vorherzusagen. „Es kann sehr gut sein, dass es in beiden Wettbewerben zu einem spanischen Finale kommt“, hat Raúl González Blanco festgestellt, „der spanische Fußball ist eine Freude.“ Die dem verehrten Profi des FC Schalke bestens bekannte Primera Division ist ja nicht nur mit ihren Aushängeschildern Real Madrid und FC Barcelona noch in der Champions League vertreten, sondern dominiert auf beängstigende Weise auch die Europa League mit gleich drei von vier Halbfinalisten.

Athletic Bilbao war auch beim 2:2 (1:1) im Rückspiel gegen mutige, aber trotz der Tore von Klaas-Jan Huntelaar (29.) und Raúl (51.) chancenlose Schalker nicht aufzuhalten. Atletico Madrid wiederholte mit dem 2:1 bei Hannover 96 vor allem deshalb das Resultat aus dem Hinspiel, weil die überragende Wolfsburger Leihgabe Diego für Adrian (63.) und Falcao (87.) mustergültig vorbereitete und auch die Hoffnung durchkreuzte, die der Ausgleich von Mame Biram Diouf (81.) kurzzeitig weckte. „Hannover ist eine große Mannschaft, aber wir waren besser“, sagte Diego artig, der mit dem Madrilenen nun gegen den FC Valencia spielt.

Der deutsche Fußball senkte eingedenk der iberischen Übermacht sein Haupt in Demut. „Die Mannschaft wollte noch einmal alles versuchen und hat sich würdig aus dem Wettbewerb verabschiedet“, bilanzierte Schalkes Sportdirektor Horst Heldt in der baskischen Fußballkathedrale Estandio San Mamés, während 96-Kollege Jörg Schmadtke in der Arena am Maschsee fast gleichlautende Sätze sprach. „Wir können trotzdem stolz sein. Für die Bundesliga haben wir eine gute Visitenkarte abgegeben.“

Wer die Europa League immer noch als Cup der Verlierer verspottet, verkennt schlicht, dass sich auch hier ein Betätigungsfeld bietet, um sportliche Fortentwicklung mit wirtschaftlichen Zugewinnen zu verbinden. Sowohl Schalke als auch Hannover dürften allein an Uefa-Zuwendungen, die sich aus Prämien und Anteilen aus dem Marketingpool zusammensetzen, einen zweistelligen Millionenbetrag einstreichen.

Fakt ist, dass die Niedersachsen auch bei ihrem vorerst letzten Europapokal-Auftritt fleißig Anerkennung ernteten und die betörende Atmosphäre sogar den Atletico-Trainer Diego Simeone ins Schwärmen brachte. „Und wenn Sie unsere Jungs in der Kabine fragen“, dozierte Schmadtke, „die wollen das nächste Saison alle noch mal miterleben.“

Dafür muss sich sein Klub mit Stuttgart, Leverkusen, Bremen und Wolfsburg im Fünfkampf um die drei Europa-League-Startplätze behaupten. Gerade die morgige Partie gegen Schalke am Sonntag gilt da als Härte- und Charaktertest. Wenn sich die beiden Europa-League-Verlierer duellieren, erwartet Schmadtke „gewiss kein euphorisches Spiel.“ Wunden lecken ist angesagt.

„Aus der Europa League wird einiges haften bleiben“, erklärte auch 96-Trainer Mirko Slomka, „aber darüber nachdenken und davon träumen können wir in der Sommerpause.“ Der studierte Mathematiklehrer, als Fußballlehrer einst bekanntlich in Gelsenkirchen angestellt, wirkte in diesem Moment wie ein ehrenvoll ergrauter Klassenlehrer, der seinen Schülern gerade erklärt, dass die Abiturprüfung mit der ersten Klausur noch nicht bestanden ist. So schön die Erfahrungen auf internationaler Bühne auch waren – sie sind nichts wert, wird der nationale Alltag nicht bewältigt.

Auch Schalke darf sich mit dem Ausscheiden nicht zu lange aufhalten. Die Treffsicherheit seiner Topstars Huntelaar und Raúl, dem ein sehenswerter Kunstschuss aus der Distanz gelang und der sich bald entscheiden soll, das Schalker Vertragsangebot anzunehmen, wird noch in der Bundesliga benötigt. „Wir wollen unseren dritten Rang in der Bundesliga halten“, mahnt Heldt. Um dann nächste Saison bitte schön Champions League statt Europa League zu spielen.