Internationaler Literaturpreis verliehen: Der Trost der Würge­schlange

Pajtim Statovci und Stefan Moster werden ausgezeichnet. Der Roman „Meine Katze Jugoslawien“ erzählt eine Fluchtgeschichte aus dem Kosovo.

Zwei Männer freuen sich über den Internationalen Literaturpreis

Die beiden Preisträger: Autor Pajtim Statovci (li.) und Übersetzer Stefan Moster Foto: Silke Briel/HKW

Während Deutschland gerade gegen Spanien verliert, spielt im Untergeschoss des Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) Ali Moraly sehr lange Violine. Die Ansprache des HKW-Intendanten Bonaventure Soh Bejeng Ndikung zur Verleihung des Internationalen Literaturpreises bekommt so durch den syrischen Geiger und Komponisten einen musikalischen Rahmen.

Beinahe pastoral referiert Ndikung über Übersetzungen, die besagter Preis ja in den Mittelpunkt rückt: Übersetzen, um Brücken zu bauen, Übersetzen als Verrat, ja, vielleicht sei auch die Umbenennung der Räume im HKW – man sitzt am Freitagabend in einem dunklen, nach der senegalesischen Filmemacherin Safi Faye benannten Saal – eine Form des Übersetzens.

Dass der Internationale Literaturpreis zuletzt in der Kritik stand, daran erinnert Ndi­kung nicht. Die ehemaligen Jurymitglieder Ronya Othmann und Juliane Liebert hatten in der Zeit die Methoden der Jury angekreidet, angeblich weniger auf literarische Qualität denn auf Nationalität und Hautfarbe zu achten.

Nachdem zuletzt der senegalesische Autor Mohamed Mbou­gar Sarr ausgezeichnet wurde, geht der Preis in diesem Jahr nach Finnland. Pajtim Statovci erzählt in „Meine Katze Jugoslawien“ von dem aus dem Kosovo stammenden Bekim, der in Helsinki vereinsamt, bis er einen sprechenden Kater in einer Schwulenbar kennenlernt und sich eine Boa cons­tric­tor zulegt. „Eine glückliche Schlange brauche Liebe, Ruhe und Grenzen“, lernt Bekim – und für wen gilt das nicht?

Mit autofiktionalen Konventionen gebrochen

Sich mit seiner Herkunft und seiner Familie auseinanderzusetzen, darauf hat der queere Bekim eigentlich keine Lust. Er tut es schließlich doch, denn Statovci stellt der Geschichte Bekims jene von dessen Mutter zur Seite, die im ländlichen Kosovo aufwächst und jung einen gewalttätigen Mann heiratet.

Es sei ein durch und durch „europäischer Roman“, heißt es in der Laudatio der Jury, die die Schriftstellerinnen Asal Dar­dan und Cia Rinne vortragen, einer, der mit den Konventionen autofiktionaler Fluchtgeschichten breche.

In Finnland lese man literarische Migrationsgeschichten eher selten, sagt Stefan Moster, der als Übersetzer des Romans mit ausgezeichnet wird. Doch natürlich gibt es sie: Statovci erzählt von gewalttätigen Weltbildern, denen er in seiner Jugend ausgesetzt war, dem beißenden Minderwertigkeitsgefühl und seinem manischen Drang, mehr zu wissen als seine finnischen Altersgenossen.

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