Erderhitzung im Land der Taliban: Afghanistan leidet unter Klimawandel

In Afghanistan ist die Klimakrise erschütternd greifbar. Immer wieder zerstören Umweltkatastrophen Gebäude und reißen Menschen in den Tod.

Ein Mann sammelt nach schweren Überschwemmungen seine Habseligkeiten aus ihren beschädigten Häusern zusammen.

Bei dem Unwetter vor gut einem Monat wurden zahlreiche Gebäude zerstört Foto: Omid Haqjoo/dpa

FULLOL epd | Schon von Weitem sind die lehmverschmierten Schutthaufen in der Landschaft zu sehen. Felsbrocken und Baumstämme liegen zerstreut dazwischen, Zeltplanen flattern im Wind. Asisullah Hamad, ein alter Mann mit weißem Bart und dunklem Turban, steht am Rande des kleinen Dorfes Fullol und blickt auf einen verwüsteten Ort, den er vor wenigen Wochen noch sein Zuhause nannte.

Es war vor etwas mehr als einem Monat, als sich hier im Norden Afghanistans am Himmel plötzlich die Wolken zusammenzogen und in einen katastrophalen Regenschauer ergossen. Der Fluss im Tal sei innerhalb von Minuten zu einem reißenden Strom angestiegen, Meter für Meter, sagt Hamad. „Es war wie eine gewaltige Sintflut.“

Dabei hatte die Region lange auf den Regen gewartet. Seit fast drei Jahren herrschte in der Provinz Baghlan und weiten Teilen Afghanistans Dürre. Als es in diesem Jahr im Frühjahr verstärkt zu regnen begann, seien die Menschen im Dorf zunächst hoffnungsvoll gewesen, sagt Hamad. Doch berechenbar wie früher ist nichts mehr. Er beobachte, wie sich das Klima veränderte, erklärt Hamad. Vor allem die Sommer würden immer heißer und trockener.

Afghanistan ist im Vergleich zu anderen Ländern kaum für die globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dennoch trifft die Klimakrise das Land wie kaum ein anderes.

62 Dorfbewohner kamen in den Fluten ums Leben

Das Dorf Fullol liegt inmitten eines kleinen Tals, umgeben von steilen, kargen Berghängen in der Provinz Baghlan, knapp vier Autostunden von der Stadt Pul-i-Kumri entfernt. In Baghlan vernichteten die Sturzfluten vom Mai Ernten auf den Feldern und rissen ganze Dörfer mit sich. Die Vereinten Nationen sprechen rückblickend von mehr als 300 Toten und Zehntausenden zerstörten Häusern.

„Es war wie eine gewaltige Sintflut.“

In Fullol zeigt Hamad auf die kleine Moschee. Sie ist eines der wenigen Gebäude, die in dem Dorf mit seinen knapp 800 Seelen noch stehen. Als das Wasser kam, erzählt Hamad, habe er sich erst in den kleinen Gebetsraum und dann auf das Dach gerettet. Er hatte Glück. Allein in Fullol ertranken 62 Menschen in den Fluten.

Die Region im Nordosten ist eigentlich bekannt für ihre Maulbeerbäume, deren Früchte in Afghanistan vor allem als Trockenobst verkauft werden. Auch Hamad besaß mehrere Plantagen, konnte seine Familie davon ernähren und seinen Kindern eine Schulbildung ermöglichen. Doch das Wasser zerstörte neben den drei Häusern der Familie auch die bereits reife Ernte. Er zeigt auf ein kleines Feld, aus dessen schlammverkrustetem Boden ein frisch gepflanzter Baumspross ragt. „Jetzt fangen wir wieder von vorne an“, sagt er.

Klimawandel trifft Afghanistan besonders hart

Für dieses Mal. Denn die Klimakrise bleibt eine massive Bedrohung für die Ernährungssicherheit und Stabilität des Landes, das ohnehin zu den ärmsten der Welt zählt. Die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung ist für ihren Lebensunterhalt direkt auf natürliche Ressourcen angewiesen.

Gleichzeitig ist die internationale Spendenbereitschaft dramatisch zurückgegangen, seit die Taliban vor knapp drei Jahren die Macht im Land übernommen haben und eine zunehmend restriktive Politik vor allem gegenüber Frauen und Mädchen durchsetzen. Die Taliban-Regierung wurde von der jährlichen internationalen Klimakonferenz ausgeschlossen, Hilfsprojekte zur Bekämpfung der Klimakrise kamen zum Erliegen.

Hamad kann das nicht verstehen. Zwar sei nach der Flut Soforthilfe gekommen, Hilfsorganisationen und auch die Taliban hätten Toiletten sowie Zelte aufgestellt und Essen verteilt. Aber es fehle an langfristiger Unterstützung und nachhaltigen Lösungen. Die Menschen im Dorf diskutierten über eine Umsiedlung in ein sichereres Gebiet weiter oben in den Bergen. Doch dafür fehlten bisher die finanziellen Mittel.

Neben der Taliban-Regierung sieht Hamid vor allem die internationale Gemeinschaft in der Pflicht. „Wir dürfen jetzt nicht vergessen werden“, sagt er.

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