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Archiv-Artikel

Eine Diskussionsrunde, bei der Zumutung Programm ist

„Atommacht Iran?“ lautet heute das Thema beim „Dellbrücker Forum“. Prominente Experten und Entscheidungsträger diskutieren hier in einem Gemeindesaal über brisante aktuelle Themen. Weder Moderator Arnd Henze noch das Publikum scheuen sich, die Podiumsgäste hart ran zu nehmen

Köln taz ■ Experten und Entscheidungsträger diskutieren mit einem Kinderarzt oder einem arbeitslosen Drucker, Prominente reden mit interessierten Bürgern über brisante Themen auf Augenhöhe – und das in einem Gemeindesaal in einem östlichen Stadtteil von Köln. Dieser Kontrast ist beim „Dellbrücker Forum“ Programm.

Die erste Stuhlreihe ist nur einen Meter vom Moderator Arnd Henze und seinen Podiumsgästen entfernt. „Plattitüden und Rechthaberei verbieten sich da von selbst“, sagt dazu etwa der Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich, der schon dreimal zu Gast war.

Die Atmosphäre ist so intim, dass jeder sich traut, mitzudiskutieren. Deswegen begibt sich spätestens nach der Hälfte der Veranstaltung das einzige Mikrofon des Gemeindesaales auf Wanderschaft. Auf Publikumsbeteiligung legt Forumsinitiator Henze viel Wert. „Darum geht es hier schließlich: politische Themen so zu diskutieren, wie es sich für Demokratie gehört – im öffentlich zugänglichen Raum, mit allen Interessierten.“

„Alle“ meint Henze, der als Redakteur beim WDR arbeitet, dabei durchaus ernst. So lud er beim Thema „Krieg und Medien“ 30 Uniformierte in die Kirche ein. Die Dellbrücker Gemeindemitglieder, viele von ihnen Pazifisten, reagierten zunächst irritiert. „Ich will den Beteiligten eben was zumuten“, sagt der Moderator. Und je heterogener das Publikum zusammengesetzt sei, umso bereichender sei das für den Diskussionsabend. „Das Wichtigste ist schließlich, dass keiner aus der Diskussion herausgeht, wie er hineinging.“

Dass es Spaß machen kann, sich über Gott und die Welt den Kopf zu zerbrechen, erkannte eine Hand voll Punks und Bundeswehrsoldaten schon beim ersten Forum 1992. Arnd Henze, studierter Theologe, hatte damals Gemeindemitglieder des Kölner Vorortes eingeladen, um mit ihnen über den Bundeswehreinsatz in Somalia zu diskutierten. „Ich finde Zusammentreffen spannend, bei denen man sich nicht nur gegenseitig selbst bestätigt“, so Henze.

Das ist der Kern des Dellbrücker Forums geblieben, auch wenn es sich von einem überschaubaren Gespräch am runden Tisch zu einem Forum gemausert hat, das weit über Kölns Grenzen hinaus bekannt ist. Durchschnittlich 200 Zuhörer finden jedes Mal den Weg in den Dellbrücker Mauspfad. Sind die Themen besonders brisant, kommen auch 300, und die Veranstaltung muss in die Christuskirche verlegt werden – zuletzt im März 2005, als sich der Grüne Daniel Cohn-Bendit und der CDU-Politiker Karl Lamers leidenschaftlich darüber stritten, was Europa zusammenhält. Aber auch wenn seit dem ersten Forum der Bekanntheitsgrad der Referenten und die Zuschauerzahl stetig gestiegen sind, will der Organisator den kleinen Rahmen beibehalten. „Am intensivsten sind die Diskussionen nun mal im Gemeindesaal“, sagt er. Dort wirke alles irgendwie improvisiert, unfertig, familiär. Und das soll so bleiben.

Denn das ermöglicht Henze im besten Fall, Menschen zusammen zu bringen, „die sonst mehr übereinander als miteinander reden. Solche Abende sind echte Sternstunden“. Zum Beispiel als Globalisierungskritiker von Attac und leitende Mitarbeiter des Bayer-Konzerns sich 2002 nicht einig waren, wer die Globalisierung zähmen solle. Henze war der erste, der es schaffte, die Konfliktparteien an einen Tisch zu holen. „Beide Seiten fühlten sich durch den kirchlichen Raum geschützt. Außerdem geht es bei uns eben nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um den Austausch von Argumenten.“

Dass das Publikum so stark eingebunden ist, sei für die Podiumsgäste eine große Herausforderung, meint Andreas Zumach. „Selbst als Experte muss man sich da sehr gut vorbereiten“, so der taz-Korrespondent. Denn weder Zuhörer noch Moderator Henze scheuten sich, die Gäste mit unbequemen Fragen zu konfrontieren. „Dabei guckt der Henze so freundlich, dass man‘s ihm gar nicht übel nehmen kann“, pflichtet Mützenich bei.

Zumach und Mützenich werden beim heutigen Forum mit dem iranischen Exilpolitiker Mehran Barati und dem US-Politologen Cris Garret über den Iran als Atommacht diskutieren. Dort finden Mitte Juni Präsidentschaftswahlen statt, und der Konflikt um die Atompolitik des Iran könnte sich danach deutlich verschärfen. ALINA FICHTER

Dellbrücker Forum: „Atommacht Iran?“, 30. Mai, 20.00 Uhr, Dellbrücker Mauspfad 345