: Aussage im Wirecard-Prozess
Chefbuchhalter des zusammengebrochenen Finanzdienstleisters bricht Schweigen
Aus München Patrick Guyton
Eineinhalb Jahre hat der dritte Angeklagte im Münchner Wirecard-Prozess stoisch geschwiegen. Am Dienstag nun hat Stephan von Erffa mit seiner vorbereiteten Aussage begonnen. In vielen Worten und Sätzen kommt vor allem eine klare Botschaft durch: Von Erffa, in Medien immer wieder als „Chefbuchhalter“ tituliert, will von keinem Betrug bei dem zusammengebrochenen Zahlungsdienstleister gewusst haben. Er will nicht Mitglied der „Bande“ gewesen sein, die sich laut Anklage aus ihm als dem Mann der Zahlen, dem Ex-Vorstandschef Markus Braun sowie dem in Dubai ansässigen und für das Asien-Geschäft zuständigen Oliver Bellenhaus gebildet hat.
Dem Trio wirft die Staatsanwaltschaft München in dem nun schon seit mehr als eineinhalb Jahren laufenden Verfahren vor, das Geschäft auf dem asiatischen Markt mit Tricksereien weitgehend erfunden zu haben, um das Unternehmen damit künstlich aufzublähen. Nach dem Zusammenbruch Wirecards Ende Juni 2020 fehlten in den Büchern ausgewiesene 1,9 Milliarden Euro. Die Ermittler gehen von einem mutmaßlichen Betrug über 3,1 Milliarden Euro aus, die Aktionäre haben 20 Milliarden verloren.
Stephan von Erffa reiht in einer unendlichen Kaskade Sätze aneinander wie: „Für strategische Entscheidungen war stets der Vorstand zuständig.“ – „Viele Themen waren mir unbekannt.“ Oder: „Inhaltliche Prüfungen wurden von mir nicht erwartet.“ Gleich zu Beginn gibt er sein „tiefes Bedauern“ zum Ausdruck, dass es auch in seiner Abteilung zu „Fehlern“ gekommen sei. Er selbst habe sich aber „zu keinem Zeitpunkt“ finanziell bereichert, sondern nur sein reguläres Gehalt bezogen.
„Ein Geständnis habe ich bisher nicht gehört“, sagt ein Gerichtssprecher während einer Verhandlungspause. Von Erffas Aussage waren Verständigungsgespräche zwischen ihm, der Gericht und der Staatsanwaltschaft vorausgegangen. Für ein vollumfängliches Geständnis der ihm vorgeworfenen Taten wurde ihm eine Strafe von sechs bis acht Jahren Haft zugesichert. Ansonsten wären wohl bei einer Verurteilung um die zehn Jahre möglich.
Bislang sieht es überhaupt nicht danach aus, dass von Erffa – übrigens ein Cousin der AfD-Politikerin Beatrix von Storch – im Sinne der Anklage eine Mitschuld gesteht. „Ich kann nur von vielen Jahren Schreibtisch in Aschheim erzählen“, sagt er. In der Gemeinde bei München war die Wirecard-Zentrale.
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