Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten: An den Ridern wird gespart

Der Liefer-Riese Lieferando will weniger Boni zahlen. Vor der Firmenzentrale protestieren Fah­re­r:in­nen gegen den Verdienstverlust.

Lieferando und Wolt-Lieferer fahren mit dem Fahrrad auf der Schönhauser Allee beim Bahnhof Eberswalder Strasse in Berlin

Fahren bei Sturm und Hitze für einen Hungerlohn: Lieferando-Fahrer:innen Foto: IMAGO/Emmanuele Contini

BERLIN taz | Lohnkürzungen in Zeiten der Inflation? Was absurd klingt, kündigte der Delivery-Riese Lieferando gegenüber seinen Fah­re­r:in­nen an. Dagegen protestierten rund 70 Beschäftigte am Mittwochmittag in der Nähe der Konzernzentrale am Spreeufer. Neben einer fairen Bezahlung forderten die Fah­re­r:in­nen bessere Arbeitsbedingungen und einen Tarifvertrag.

Konkret gehe es um die Umstrukturierung des Bonus­systems, die das Unternehmen Ende Juni den Fah­re­r:in­nen ankündigte, sagt ein Mitglied der Beschäftigtenorganisation Lieferando Workers Collective zur taz. Ihren Namen will die Lieferando-Fahrerin nicht nennen, weil in der Vergangenheit schon häufiger gewerkschaftlich engagierten Kol­le­g:in­nen gekündigt wurde.

Demnach sollen bislang gezahlte Boni für Spitzenzeiten abgeschafft und durch ein anderes System ersetzt werden. Die Boni sind ein wichtiger Teil des Einkommens, das sonst mit 12,50 Euro pro Stunde nur knapp über dem Mindestlohnniveau liegt.

Fehlerhafte Lohnzahlungen

Ein Sprecher des Unternehmens teilt auf taz-Anfrage mit, es handle sich bei der Umstellung nicht um Lohnkürzungen. Vielmehr sei ein befristetes Pilotprojekt ausgelaufen. „Das neue Modell beinhaltet eine Lohnerhöhung sowie ergänzende Zuschläge, mit denen fast alle Fahrer bundesweit mehr verdienen“, so der Sprecher.

Die Fah­re­r:in­nen sehen das anders: „Ich würde nach dem neuen System 300 bis 400 weniger pro Monat bekommen“, klagt R., ein Fahrer, der Vollzeit für Lieferando arbeitet. „Wir leben jetzt schon von der Hand in den Mund.“ Mit den Kürzungen werde es schwer, die Miete zu bezahlen.

Der 41-Jährige kommt aus Pakistan und berichtet, dass viele seiner migrantischen Kol­le­g:in­nen sich nicht mit deutschem Recht auskennen und Lieferando dreist versuche, die Löhne zu drücken. So seien Fehler in der Abrechnung die Regel, es werde wiederkehrend weniger gezahlt, als eigentlich gearbeitet wurde. Auch Trinkgelder werden manchmal einbehalten, berichtet R. „Die klauen einfach Geld bei den Fahrern, die kein Bewusstsein dafür haben.“

Fehlerhafte Lohnzahlungen kämen „extrem selten“ vor und würden sofort ausgeglichen, sagt ein Unternehmenssprecher auf taz-Anfrage.

Immer wieder Sparmaßnahmen

Die jüngsten Maßnahmen seien die härtesten, aber nicht die ersten der vergangenen Jahre, berichtet ein weiterer Fahrer, der sich als Mo vorstellt. Mit der Zeit sei es immer schwieriger geworden, Arbeitstelefone und Firmenfahrräder zu bekommen, auch die Reparaturpauschale wurde irgendwann abgeschafft. „Das sind einfach Kürzungen“, so Mo.

Um für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu kämpfen, haben die Fah­re­r:in­nen eine Petition gestartet. Darin fordern sie unter anderem feste Feiertags-, Sonntags- und Nachtzuschläge, die sich am Stundenlohn orientieren. Auch sollen Überstunden besser bezahlt werden und nicht verpflichtend sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.