Hoffnungsschimmer Ironie? Im postmodernen Schmelztiegel werden Schmalz und Feinripp aufgetragen

Okay, in der gefühlten Postpostpostmoderne ist das Zitieren und Kombinieren, das Fusionieren und Adaptieren längst Volkssport geworden. Aber auch in dieser Atmosphäre hat sich Berlin doch mittlerweile einen Ruf als ganz besonders veritabler Schmelztiegel erarbeitet. Nur, was da jeweils so verschmolzen wird, das ist von Fall zu Fall doch recht unterschiedlich. Bei Manuela Krause sind es eine Liebe zum divenhaften Chanson, eine familiäre Verbindung zum Balkan und ein Hang zum Schlagerhaften, eine Vorliebe für elektronische Musik und eine Neigung zum Jazz. Allerhand also, was die Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin und Radiomoderatorin zusammenzuführen versucht. Dazu hat sie sich das Pseudonym Ljiljana Petkoviç zugelegt, sich als musikalischen Partner den Jazzbassisten August Engkilde gesucht und schließlich eine Band zusammengestellt. Auf „Hinter dem Spiegel“ spielt das Ljiljana Petkoviç Orchestra nun Musik, die bisweilen an Universal Gonzalez gemahnt, wenn der Name noch jemandem etwas sagt, oder in seiner demonstrativen Dramatik auch an Alexandra, wenn sich an die noch jemand erinnert. Das Slawische ist dabei weniger in den Harmonien zu finden als eher in einer Grundstimmung, die sich prima mit der französischen Theatralik verträgt und problemlos die eher sparsam eingesetzten elektronischen Beats verkraftet. Wenn Krause allerdings mit leicht flatternder Stimme „einsam war“ auf „blond ihr Haar“ reimt, wenn Lippen „rot wie Wein“ besungen werden, dann fragt man sich, wie bewusst da die Klischees der verarbeiteten Genres nur reproduziert oder doch ironisch konterkariert werden.

Solche Ironie ist anderen Adaptoren mittlerweile völlig fremd. Pünktlich zu ihrem nun schon vierten Album „Do Or Die“ haben The BossHoss ihren ursprünglichen Ansatz komplett aufgegeben. Angefangen hat die Band einmal als Thekenwitz und mit der Idee, bekannte Charthits in subtil übertriebenen Country-Versionen noch einmal aufzunehmen. Das hat ein Album lang prima funktioniert und bei der zweiten Auflage wurde der Scherz schon schal. Spätestens mit der dritten Platte aber hatten The BossHoss ihre Publikum gefunden, und das war nicht klein und wollte sich vor allem amüsieren. Passenderweise wirbt man mittlerweile für einen großen Bierbrauer. Auf dem Weg dahin allerdings wurde die Band vom Ehrgeiz gepackt, mit eigenen Songs zu reüssieren, die aber allzu oft keine gute Figur im direkten Vergleich mit den gecoverten Gassenhauern machen. Den Fehler wiederholen The BossHoss nicht noch einmal: Auf „Do Or Die“ werden nur drei und zudem eher unbekannte Vorlagen neu interpretiert. Nun muss man zugeben, dass der Kuhrock musikalisch zwar immer noch recht knackig gerät, aber auch nicht an das heranreicht, was Jason & the Scorchers vor einem Vierteljahrhundert schon gemacht haben. Das Problem aber ist: Die Ironie ist nun weitgehend getilgt. Was bleibt, sind offensiv getragene Feinripp-Unterhemden und die Erkenntnis, dass auch in der Postpostpostmoderne nicht alles erlaubt sein dürfte.

THOMAS WINKLER

■ Ljiljana Petkoviç Orchestra: „Hinter dem Spiegel“ (Brumtone), 29. 8. Salon of the Universe

■ BossHoss: „Do Or Die“ (Island/ Universal), 22. 8. in der Wuhlheide