Daniél Kretschmar hört auf den Sound der Stadt

Mir war gar nicht bewusst, dass das Sommerloch auch eine private Angelegenheit ist - eine jahreszeitlich bedingte Leere im Leben, die Menschen veranlasst, noch die kleinsten Banalitäten zum Gesprächsthema zu machen: „Ich war gestern am See.“ Soso, das ist ja sehr schön. „Wir hatten gutes Wetter.“ Ach, tatsächlich? Ich hatte auch gutes Wetter, nehme ich an. Ich ziehe die Vorhänge nicht so oft auf. Es genügt doch völlig, mit beginnender Dämmerung durch die Stadt zu streifen und sich in das angenehmerweise kaum abgeflaute Nachtleben zu stürzen. Maestro, Musik! Gleich Morgen sei ein Besuch im weiterhin von Schließung bedrohten SO 36 empfohlen, wo im dargebotenen Punkset vor allem die All-Women-Band The Mokkers herausragen, die mit ihrem Garagensound dem Publikum ganz ordentlich Beine machen werden. Wer es lieber etwas gemütlicher angehen lassen will, geht ins Wild at Heart, wo die Runaway Brides (ebenfalls all women) klassischen Country aufspielen, gefolgt von A Pony named Olga, die das Tempo mit ihrem Speedfolk-Bluegrass Rockabilly mächtig anziehen.

Am Mittwoch lässt sich am Badeschiff ganz gut die frische abendliche Brise genießen, dazu spielt unplugged Vaile, die mit ihrer herzzerreißenden Stimme bisweilen an Tori Amos erinnert, also nicht einfach nur butterweich dahersäuselt, sondern mit Leidenschaft ihr Herz herauskehrt.

Tags darauf schließlich spielt mein absoluter Favorit für diese Woche: Kirschencore. Zwei Frauen, die bewaffnet mit einer Violine, einer Mundharmonika und einer elektronischen Basisspur alles an die Wand rocken. Mit gediegenem Kopfnicken kommt da niemand durch, das hat unglaublich mitreißende Kraft. Und Spaß machts auch. Draußen am See kann es gar nicht so schön sein. Und falls doch: Ich will‘s nicht wissen.

■ The Mokkers: SO 36, Sa., 20.00 Uhr

■ The Runaway Brides/A Pony Named Olga: Wild at Heart, Sa., 22 Uhr

■ Vaile: Badeschiff, Mi., 21.00 Uhr ■ Kirschencore: Galerie der Künste, Do., 21.00 Uhr