piwik no script img

Nachruf auf Rita HermannsUnendlich freundlich und geduldig

Wir trafen uns öfter am Grab von Thomas Rogalla, der, früher, wie wir, Kollege in der taz-Berlinredaktion war. Sabine Weißler und ihre Tochter Johanna luden regelmäßig auf den St.-Matthäus-Friedhof an der Berliner Großgörschenstraße ein, wo auch Ritas früh gestorbener Mann Wolfgang Kramer liegt. Die in Duisburg-Mündelheim geborene Rita Hermanns war Sprecherin der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz in Berlin (AL), der Vorläuferorganisation der Grünen.

Sie kam wohl Mitte der achtziger Jahre zur taz, einst im Wedding, in die Lokalredaktion und ging schließlich als Sprecherin zu Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Das hatte den Effekt, dass wir in der Lokalredaktion aus diesem Haus überhaupt keine Informationen mehr bekamen. Aber so war es mit allen Kollegen, die Pressesprecher wurden.

In der taz waren die (Links-)Radikalsten die Außenpolitiker und die Kolleginnen und Kollegen der Abo-Abteilung, es gab bei uns im Haus Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und auch der Stasi. Vom Kollegen Johann Legner bekam ich nach der Wende eine Liste der „feindlich-negativen Kräfte“ in der taz. Kollege Rogalla arrangierte mir Nachhilfe mit einem Abteilungsleiter für eine IM-Akte.

In der AL waren viele Linksradikale, aber auch viele Pragmatiker wie Rita, Wolfgang Wieland etwa. Rita war unendlich freundlich und geduldig, sodass wir gut verstanden und dass man sie gern um sich hatte, wie später auch Schulsenator Klaus Böger (SPD). Sie hatte Humor.

Einmal erzählte sie uns, dass ihr Freund Giovanni abgereist sei und sie in der Badewanne die Ouvertüre vom „Don Giovanni“ gehört habe. Für uns war Giovanni „der Förster“, und wir hofften, dass sie ihn heiraten würde. Er war aber Forstwissenschaftler aus Padua, und Rita heiratete Wolfgang Kramer vom ZDF.

Wenn sie Geburtstag feierte, ging ich mit Wolfgang zur Eisdiele und brachte Eis für alle mit. Wie gut wir lebten mit unseren Hungerlöhnen! Einmal in der Woche hielt die Lokalredaktion morgens ihre Konferenz im Café Berio ab – danach fuhren wir in die Weddinger Wattstraße.

Rita starb nach langer Krankheit mit 71 Jahren am 11. Juni in Berlin. Nun werden wir uns, ihre Freundinnen und Freunde, bald wieder auf dem Matthias-Friedhof treffen.

Mechthild Küpper

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen