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„Es ging mir bei Musik immer um Rebellion“

Vom Free Jazz über den Punk zur elektronischen Musik: Mo Loschelders Booking-Agentur Media Loca feiert im Silent Green und in der Galiläa-Kirche 15-jähriges Jubiläum

Mo Loschelder liebt alle ihre Künstler und Künstlerinnen Foto: Udo Siegfriedt

Von Andreas Hartmann

Drei Tage hintereinander wird es an gleich zwei verschiedenen Locations brummen, rauschen und fiepen bei der Veranstaltung „Media Loca 15 Years“. Mo Loschelder, die diese verantwortet, möchte aber nicht von einem Festival sprechen, wenn ab heute zwei Tage lang erst im Silent Green im Wedding und dann noch an einem Abend in der Galiläa-Kirche in Friedrichshain diverse Acts aus dem nur schwer einzugrenzenden Bereich der experimentellen elektronischen Musik auftreten werden. Es soll sich vielmehr um eine ausgiebige Geburtstagsparty handeln, sagt Loschelder und gibt kund: „Ich liebe Geburtstage.“

Nicht direkt um sie selbst drehen sich dabei die Feierlichkeiten, sondern um ihre Booking-Agentur Media Loca, die sie vor ziemlich genau 15 Jahren gegründet hat. Als Eine-Frau-Betrieb, was sie bis heute ist.

Booking-Agenturen, deren Aufgabe es ist, Künstler und Künstlerinnen an Konzert- und Festivalveranstalter zu vermitteln, gibt es in unterschiedlichen Formen und Größenordnungen. Es gibt große Unternehmen, die alles im Programm haben, womit sich irgendwie gutes Geld verdienen lässt. Und solche mit einem spezialisierten Angebot für die Nischen. Media Loca gehört in die letztgenannte Kategorie. Natalie Beridze, Jan Jelinek, Jasmine Guffond und all die anderen Acts, die Loschelder vertritt und bei der dreitägigen Geburtstagsparty auftreten lässt, stehen für eine bestimmte Soundästhetik, die irgendwo zwischen Post-Club-Musik und Kunstgalerie anzusiedeln ist. Darin spiegelt sich auch die Agenturchefin mit ihrer Vita.

Mo Loschelder, deren eigentlicher Vorname Gabriele ist, die man in der Szene aber nur als Mo kennt, ist eine Figur der Berliner Clubkultur, die man durchaus legendär nennen kann. Das Techno-Berlin von heute, das in den wilden Neunzigern geformt wurde, verdankt ihr so einiges.

Man besucht sie in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg, die seit der Coronapandemie auch das Büro von Media Loca ist. Im Flur erblickt man eine Platte des E-Gitarren-Symphonikers Glenn Branca, in der Küche registriert man eine CD mit äthiopischem Jazz. „Musikalisch hatte ich nie einen Tunnelblick“, sagt Loschelder und erzählt an ihrem Küchentisch sitzend davon, dass die erste Form von Musik, die sie bewusst für sich entdeckt hatte, Free Jazz war. Da war sie 15 Jahre alt.

Wenn sie ihren nächsten eigenen Geburtstag feiert, wird das ihr 63. sein. Berichtet sie von ihren Jugendjahren, beamt man sich also zurück in die späten Siebziger. Als Nächstes habe sie damals zum Punk gefunden, den sie eine für ihr damaliges Empfinden „stimmige Weiterentwicklung“ zum Free Jazz nennt. „Es ging mir bei der Musik immer um Kratzbürstigkeit, um Rebellion“, erläutert sie.

Damals lebte sie mit ihrem musikalischen Interesse zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nein, nicht in Berlin, sondern in Düsseldorf, wo sie viel im Ratinger Hof verkehrte, dem sagenumwobenen Ort, der als eine der wichtigsten Keimzellen für den westdeutschen Punk und Postpunk gilt.

In Düsseldorf studierte sie Kunst und war Meisterschülerin von Gerhard Richter. Aber es sollte die Begeisterung für Musik sein, die ihr weiteres Leben prägte. Mitte der Achtziger landete sie zufällig auf einer Acid House Party in Amsterdam. Die damals revolutionär neue Tanzmusik „hat mich sofort umgeblasen“, sagt sie. Ihr Interesse für elektronische Clubsounds war geweckt.

Eher zufällig landete sie dann in Berlin. Nach einem Konzert der Punkjazzband Universal Congress of in Köln beschloss sie, der Band für deren nächsten Auftritt hinterherzureisen. Er fand im damals noch besetzten Kunsthaus Tacheles in Ostberlin statt. Als sie dort Anfang der Neunziger landete, kam ihr alles so aufregend vor, dass ihr klar wurde, hier bleiben zu wollen. Die Sache mit der Kunst war nun nicht mehr ganz so wichtig. Sie legte als DJ in der ganzen Welt auf, trat als Live-Act bevorzugt gemeinsam mit Klaus Kotai auf, mit dem sie auch Platten produzierte, die auf dem gemeinsamen Label Elektro Music Department erschienen.

Mitte der Achtziger landete Mo Loschelder zufällig auf einer Acid House Party in Amsterdam

Immer irgendwie mit dabei war der bildende Künstler Daniel Pflumm. Gemeinsam mit Pflumm und Kotai betrieb sie nacheinander die Clubs Elektro und Panasonic, die heute in keiner historischen Abhandlung über wichtige, aber längst verblichene Clubs in Berlin unerwähnt bleiben dürfen. Das Elektro war eine Mischung aus Atelier und Bar plus Mini-Dancefloor und kaum größer als ihre Küche, sagt Loschelder. Dennoch legten hier Größen wie Robert Hood oder Electric Indigo auf. Als Gage gab es ein von Daniel Pflumm designtes T-Shirt mit dem Elektro-Logo.

Irre, aber vergangene Zeiten. Ihr Equipment für die Musikproduktion stehe irgendwo im Keller, sagt Loschelder, gleich neben den Mal-Utensilien. „Es gab immer diese Brüche bei mir, auf die dann etwas Neues folgte.“

Das letzte Neue war dann die Gründung von Media Loca, wo sofort Acts landeten, die sie noch aus ihrer Zeit als Clubbetreiberin kannte. Einige sind nicht mehr bei ihr, dafür sind andere wie Ale Hop und sogar das Minimal-Music-Urgestein Charlemagne Palestine dazugekommen. „Ich liebe alle meine Künstler und Künstlerinnen“, sagt Loschelder und scheint sich auf die Geburtstagsparty zu freuen, als wäre es doch ihre eigene.

Media Loca 15 Years : 27. und 28. 6. im Silent Green, 29. 6. in der Galiläa-Kirche

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