SCHRÖDER HINTERLÄSST VERBRANNTE ERDE, MERKEL RATLOSIGKEIT
: Schreckliche Aussichten

Egal, wie man zu Angela Merkel steht: Aus menschlichen Gründen möchte man ihr wünschen, dass sie den gestrigen Tag genossen hat. So schön wird’s nämlich nie mehr werden, nicht einmal im Falle eines Wahlsieges. Da schaut die künftige Bundeskanzlerin dann bereits in den Abgrund leerer Kassen, auf die Schlachtfelder neuer, interner Machtkämpfe und in das Labyrinth unausgereifter Konzepte. Aber gestern – ja, gestern muss es wundervoll gewesen sein. Für sie.

Für ihren einstigen Rivalen Edmund Stoiber war der Tag wohl nicht ganz so wundervoll, aber sogar er wirkte gelöst. Demonstrativer, aber gewiss auch echter Jubel aus den eigenen Reihen begleitete die Kür der neuen Spitzenkandidatin der Union. Die Vorfreude auf Erfolg lässt Skeptiker verstummen, und jeder Sieg hat bekanntlich viele Väter. In diesem Fall hat er eben zusätzlich und vor allem eine Mutter. Wenn die Teilhabe an der Macht winkt, dann können damit selbst Chauvinisten leben.

Zur guten Stimmung trug auch Gerhard Schröder bei. Der ließ gestern mitteilen, dass er vor keiner Brüskierung zurückschrecken will. So spät wie möglich möchte der Kanzler erläutern, wie er sich das mit den Neuwahlen genau vorstellt, so sein Regierungssprecher, und er will das im Bundestag tun. Ein anderes Gremium gebe es dafür nicht.

Ach nein? Sowohl der Bundespräsident als auch der grüne Koalitionspartner dürften das verblüfft gehört haben. Man mag es erfreulich finden, dass Schröder wenigstens am mutmaßlichen Ende seiner Amtszeit zu dem gebotenen Respekt vor dem Parlament zurückfindet. Aber er sollte noch ein wenig üben. Verfassungsrechtlich umstrittene Neuwahlen sind nämlich der falsche Anlass, um alle anderen Beteiligten vor den Kopf zu stoßen.

Gerhard Schröder benimmt sich so, als wolle er vor allem verbrannte Erde hinterlassen. Dann bräuchte die Opposition eigentlich gar kein Wahlprogramm mehr. Zumindest gestern kam deren neue Spitzenkandidatin denn auch mühelos mit Gemeinplätzen über die Runden. Das lässt Fürchterliches erwarten, für den Wahlkampf, aber mehr noch für die Zeit danach. BETTINA GAUS