: Der neue Diener der Dienerin der Deutschen
Edmund Stoiber, vor drei Jahren glückloser Kanzlerkandidat der Union, erklärt in Berlin Angela Merkel zur Anwärterin auf seinen Traumjob
BERLIN taz ■ Auch Männer, die sich zu den Besten zählen, müssen manchmal nolens volens anderen den Vortritt lassen. Wenn es so weit gekommen ist, bleibt ihnen nur noch: Haltung zu wahren. Oskar Lafontaine hat damals eine Runde Schnaps geschmissen: Als er vor sieben Jahren auf die Kanzlerkandidatur der SPD verzichten musste, stieß der Geschlagene spontan mit Journalisten vor seinem Privathaus in Saarbrücken auf den Gewinner Gerhard Schröder an.
Der Asket Dr. Edmund Stoiber ist für derlei Späße nicht zu haben. Er bleibt trocken, auch an diesem Montag, an dem das Konrad-Adenauer-Haus der CDU zur Partyzentrale der Union geworden ist. Im Foyer wird längst schon Bier gereicht. Stoiber hat ein Glas Wasser vor sich – und die wahrscheinlich schwierigste Rede seines Lebens.
Was er sagen muss, steht fest. Aber wie er es sagen wird, das ist der kleine Rest an Spannung, den Stoiber eine Woche lang aufrechterhalten hat. Eine Woche nach dem Sieg der CDU in Nordrhein-Westfalen und der Neuwahlankündigung durch Gerhard Schröder verkündet Stoiber das offizielle Wahlergebnis der internen Kandidatensuche der Union.
Er beginnt umständlich. Die Stimmung bei der vorangegangenen, gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU sei genauso gewesen wie hier im Saal, berichtet Stoiber, nämlich gut und geprägt von „großer Hoffnung auf die Zukunft“. Dann endlich folgt der Satz, auf den Angela Merkel, die lächelnd neben ihm steht, so lange warten musste. Es wird ein langer Satz. Man habe „einmütig und einstimmig“ beschlossen, erklärt der CSU-Chef, die Vorsitzende der CDU und Fraktionsvorsitzende der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU als Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl im Herbst diesen Jahres zu nominieren. Puh.
Jetzt ist es endlich raus, und der Saal tobt. Minutenlang beklatschen Dutzende Unionsanhänger rhythmisch diesen einen Satz, bis es Merkel fast schon peinlich wird. Stoiber wartet höflich ab, bis die Huldigungen für seine langjährige Rivalin abebben und hebt nun, endlich, selbst zu Worten an, die zur Stimmung des Tages passen. Merkel, sagt er, habe „eine großartige Bilanz“ vorzuweisen, sie habe die CDU in den vergangenen Jahren „mit großem Erfolg geführt“ und: „Die CSU und ich ganz persönlich als Vorsitzender der Schwesterpartei sagen Ihnen die volle Unterstützung zu.“ Ja, mehr noch: „Sie werden mich immer an Ihrer Seite haben!“ Was früher als Drohung verstanden worden wäre, geht in ein Versprechen über, das man Stoiber durchaus glauben darf. Weil nur ein Sieg der Union auch ihm die Chance lässt, wenn er es möchte, als Superminister nach Berlin zu wechseln. Ob er das will oder ob er doch in Bayern bleiben möchte, will er bis zur Wahl noch nicht verraten. Aber er werde, sagt Stoiber zum Abschluss seiner Rede an Merkel gewandt, „alles dafür tun, dass Sie die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland werden“.
Was muss das für ein Triumphgefühl für Merkel sein, drei Jahre nach dem legendären Wolfratshausener Frühstück im Hause Stoiber, bei dem sie eine Buttersemmel und er die Kanzlerkandidatur bekam. Das sei damals „auch im Rückblick“ die richtige Entscheidung gewesen, sagt sie großmütig, aber alle wissen: Er hat 2002 verloren, und sie wird, aller Voraussicht nach, gewinnen. Die einzige Sorge, die ihre Leute in diesen Tagen umtreibt, ist eine Luxussorge: „Wir dürfen jetzt nicht übermütig werden.“ Merkel selbst, da kann man ziemlich sicher sein, wird diesen Fehler nicht begehen.
Vorsichtig vermeidet sie Festlegungen. Steuern rauf? Steuern runter? Solche Fragen werde die Union am 11. Juli, wenn das Wahlprogramm steht, beantworten. Heute, am Tag ihrer Nominierung, will sie nicht über Programme reden. Warum auch? Solange SPD und Grüne nicht mal die Organisation der Neuwahlen geregelt kriegen, kann Merkel vage bleiben – und für ihre neue Rolle üben: die der Staatsfrau. „Im Zentrum meines Denkens und Handelns steht, Wege zu gehen, um Arbeit für die Menschen zu schaffen“, sagt Merkel. Und „es geht nicht um Parteien, nicht um Karrieren, nicht um ein ‚Er oder ich‘ “, wie sich das Schröder wünschen mag. „Ich will Deutschland dienen.“ Fragt sich nur, wie lange Stoiber seine Rolle durchhält – als Diener der Dienerin der Deutschen. LUKAS WALLRAFF