Die Sahara als Waffe

Tausende Afrikaner werden auf ihrer Flucht nach Europa verschleppt. EU-Länder zahlen dafür

Von Christian Jakob

Seit den Nullerjahren bezahlen EU-Staaten afrikanische Länder dafür, Flüchtlinge abzuweisen. Eine Recherche von Spiegel und anderen Medien zeigt nun, wie sich diese Politik zuletzt in Tunesien, Mauretanien und Marokko entwickelt hat. 50 Betroffene schilderten den Re­por­te­r:in­nen, wie sie von Sicherheitskräften in entlegenen Gegenden ausgesetzt worden seien, teils mit Gewalt, unter Missachtung ihrer Rechte. Insgesamt würden „Tausende Menschen mit schwarzer Hautfarbe festgesetzt, in Wüstenregionen verschleppt und ausgesetzt“, heißt es in dem Bericht.

Allein Marokko habe 2023 75.000 Menschen festgenommen, weil sie versucht hätten, „illegal auszuwandern“ – also ohne Visum nach Europa weiterzuziehen. Seit den Nullerjahren erhält das Königreich dafür Millionenzahlungen, vor allem aus Spanien. Zuletzt hatte die EU im März 2023 ein neues Kooperationsprojekt mit Marokko im Wert von 624 Millionen Euro aufgelegt, darunter 152 Millionen für den Kampf gegen irreguläre Migration. Seit Jahren schildern Flüchtlinge etwa aus Kamerun, wie sie in den Küstengebieten Marokkos verhaftet und tief im Süden des Landes in der Sahara ausgesetzt werden – mit bisweilen tödlichen Folgen.

Die EU selbst, so der Spiegel, habe etwa in einem Bericht der EU-Kommission von 2019 über eine „Kampagne“ gegen „subsaharische Flüchtlinge“ geschrieben, bei der Tausende, darunter auch Kinder und Schwangere, illegal festgenommen und anschließend in abgelegene Gebiete verfrachtet worden seien. NGOs wie das Alarm-Phone Sahara oder das UNHCR kritisieren dies auch schon seit Jahren.

Auch Tunesien war 2023 in die Kritik geraten, weil das Land auf die gleiche Weise versucht, sich subsaharischer Mi­gran­t:in­nen auf dem Weg nach Italien zu entledigen. Auch Mauretanien und Senegal sollen künftig noch stärker in die europäische Migrationskontrolle integriert werden. Im Fokus steht noch ein Staat, der kaum mit der EU zusammenarbeitet: Algerien. Die Wüste werde „zunehmend zur Waffe“, heißt es im Spiegel. Afrikanische Regierungen setzten hier Menschen aus, „um eine Botschaft zu senden: Probiert es nicht noch einmal. Ihr schafft es nicht nach Europa.“