: Der Taurus-Druck auf Olaf Scholz nimmt wieder zu
Nachdem die USA der Ukraine neue ATACMS-Raketen liefern, ertönt internationale Kritik an Deutschland
Von Tanja Tricarico
Der Marschflugkörper vom Typ Taurus aus Deutschland wird immer noch nicht in die Ukraine kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz machte bei einem Bürgerdialog in Lüneburg am Samstag erneut klar, dass er bei seinem Nein bleiben wird. Auch die Gründe wiederholte er: Deutsche Soldat:innen müssten die Kontrolle über den Einsatz der Bomben behalten. Und Scholz präzisierte: Diese Waffe sei über weite Entfernungen so effektiv und präzise, „da können wir direkt ein Wohnzimmer ansteuern“. Würde der Taurus im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Einsatz kommen, wäre Deutschland beteiligt am Krieg. Der Marschflugkörper ist eine High-Tech-Waffe mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern.
Deutschland gehört nach den USA zu den größten Waffenlieferanten der Ukraine. Erst vor rund zwei Wochen hatte die Bundesregierung ein drittes Luftabwehrsystem vom Typ Patriot zugesagt. Ukrainischen Angaben zufolge werden sieben gebraucht, um effektiv Energieversorgungsstrukturen und zivile Einrichtungen zu schützen. Scholz betonte: Die Bundesregierung müsse „besonnen handeln“ und „auch dafür sorgen, dass es nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt“.
Grund für die neue Debatte um den Taurus ist die Lieferung von Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern aus den USA. Druck kommt etwa aus Polen: Außenminister Radosław Sikorski will Scholz ermutigen, seine bisherige Haltung zu überdenken. Gegenüber der Bild am Sonntag sagte Sikorski, dass er hoffe, dass Scholz die US-Entscheidung anerkenne und „Deutschland mehr tun wird, als es bereits tut“. Er sieht in der Lieferung der USA eine „Reaktion auf die drastische russische Eskalation“.
Unverständnis kommt auch von Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. „Weder in der US-Regierung noch in republikanischen Kreisen gibt es Verständnis dafür, dass Deutschland weiter die Lieferung verweigert“, sagte Rasmussen der Welt am Sonntag. Die Kommunikationsstrategie des Kanzlers zu verstehen, sei nicht einfach. Bei der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern hatte sich Berlin ähnlich verhalten und sich erst nach den USA zu einer Freigabe entschlossen. Die Hoffnung war demnach groß, dass die Taurus-Debatte auf dieselbe Art beendet wird.
Aus Sicht der Ukraine drängt die Zeit. Der US-amerikanische Thinktank Institute for the Study of War geht davon aus, dass die russische Armee in den kommenden Wochen „bedeutende Gewinne“ erzielen wird. Die Lücke zwischen der Freigabe des US-Hilfspakets in Höhe von 61 Milliarden US-Dollar und der tatsächlichen Ankunft neuer US-Waffen an der Front in der Ukraine werde von Russland genutzt werden.
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