: „Die Problemlagen werden mehr“
Liliane Rosar-Ickler ist stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Saarland und sozialpädagogische Leiterin an einer gebundenen Ganztagsgrundschule
Bei uns arbeiten Lehrkräfte und Erzieher*innen im Tandem. Hinter dem Konzept unserer Ganztagsschule steht die Idee, Unterrichtsinhalte mit pädagogischen Angeboten am Nachmittag zu verknüpfen. Beispielsweise nehmen die Kinder im Unterricht das Thema Wind durch, und mit den Erzieher*innen bauen sie in Kleingruppen eine Windmessstation. Das sind die schönen Momente unserer Arbeit. Aber in letzter Zeit klappt das eher selten, wegen der Personalausfälle. Fast täglich reicht der Personalschlüssel nicht aus. Unser Träger hat zwar ein Springerkräftesystem, aber es kann die massiven Ausfälle nicht kompensieren. Und es wird immer schwerer, Fachkräfte zu gewinnen. Dann schafft man nur noch, die Aufsicht zu gewährleisten, den Alltag zu regeln. Das frustriert natürlich, das eigene Handwerk nicht ausführen zu können. Es ist auch ein Grund für die hohe Fluktuation in unserem Bereich.
Die Problemlagen werden mehr, aber die Ressourcen weniger. Die Einrichtungen werden größer, da immer mehr Plätze gebraucht werden. Hier spüre ich die Verdichtung auch im Administrativen. Hinzu kommen besondere Umstände, wie Corona. Andererseits sind da die vielen Päckchen, die die Kinder mit sich tragen: Fluchterfahrung oder existenzielle Ängste in der Familie durch Armut. Ich arbeite in einem der ärmeren Stadtteile. Viele der Kinder und Familien haben Multiproblemlagen. Das hat sich zuletzt verstärkt.
Als Leitung vermittle ich auch in weitere Fachhände. Oft muss ich vertrösten, weil auch im Frauenhaus oder in der Jugendhilfe die Ressourcen fehlen. Der Versuch, Familien hier unter die Arme zu greifen, bindet extrem viel Zeit und potenziert sich mit den erhöhten Schüler*innenzahlen. Eigentlich bräuchten sie eine sehr viel intensivere Zuwendung, als wir sie bieten können. Dann vertraut sich ein Kind uns an, aber uns fehlt oft einfach die Zeit. Am Ende geht man mit schlechtem Gewissen und dem Gefühl nach Hause, dem Kind nicht gerecht worden zu sein.
Protokoll: Adefunmi Olanigan
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