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Zug um Zug für Zypern

Bei den Turn-Europameisterschaften in Rimini gewinnt der 26-jährige Marios Georgiou den Mehrkampf. Es ist der erste EM-Titel für sein Land

Aus Rimini Sandra Schmidt

Marios Georgiou war mit einem Ziel zu den Europameisterschaften ins ­Adriastädtchen Rimini gereist: Er wollte im Mehrkampf der Beste unter denjenigen Turnern sein, deren Nationalverbände sich noch nicht als Mannschaft bzw. mit drei Einzelstartern für die Olympischen Spiele qualifiziert haben. Denn in diesem Wettkampf, der innerhalb der EM stattfand, wurde das allerletzte Ticket für Paris vergeben. „Das war der stressigste Tag in meiner ganzen Turnkarriere“, beschrieb er seinen Auftritt am vergangenen Mittwoch, bei dem er an allen sechs Geräten großartiges Turnen gezeigt hatte. Es galt allerdings, noch eine weitere Gruppe abzuwarten und im Publikum sitzend zu hoffen. „Überhaupt kein Problem“, lächelte Georgiou, „ich habe das Beste gezeigt, was ich kann. Wenn es reicht, okay. Aber wenn es nicht reicht, dann gratuliere ich demjenigen, der das Ticket holt und freue mich für ihn.“

Es reichte und zwar nicht nur für das Olympiaticket, sondern auch für den Titel des Mehrkampf-Europameisters. Damit hatte niemand gerechnet. Auf die Frage, wann ihm die Idee gekommen sei, dass er auf dem Podium stehen würde, antwortete Georgiou – die Goldmedaille fest in rechten Hand haltend – der Ukrainer Oleg Vernjajew habe ihm nach der Hälfte des Wettkampfs gesagt: „Du wirst hier auch Europameister!“ Das habe er aber nicht wirklich geglaubt, im Turnen könne schließlich immer noch was passieren. „Irgendwann dämmerte es mir. Wir haben angefangen zu rechnen und dann wusste ich: Ich kann Europameister werden.“

Es ist das erste Mal, dass ein Zyprer diesen Titel gewinnt. Das erste Mal in der Geschichte des zyprischen Turnens – eine Formulierung, die dem 26-Jährigen vertraut ist. So erstmals, als er 2015 sechs Goldmedaillen bei den „Spielen der kleinen Staaten von Europa“ – darunter Andorra, Monaco und San Marino – gewann. 2016 war es die Teilnahme an Olympischen Spielen, 2019 die erste EM-Medaille, damals Bronze im Mehrkampf hinter zwei Russen. 2022 schließlich der erste EM-Titel und zwar am Reck. Der zyprische Staatspräsident Nicos Anastasiades twitterte damals, dieses Ergebnis sei „eine große Ehre für Zypern“.

„Die ersten beiden sind für die Erfahrung“

Marios Georgiou über Paris 2024, seine dritte Olympiateilnahme

Marios Georgiou war als Dreijähriger im Kindergarten seiner Heimatstadt Limassol einem Trainer auf Talentsuche aufgefallen, weil er am Ast eines Baumes hing und hin- und herschwang. Nun wird er zum dritten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen. „Die ersten beiden sind für die Erfahrung, die dritten werden die Guten“, hofft Georgiou, der 2016 in Rio seinen Wettkampf verletzt abbrechen musste und sich 2021 in Tokio für kein einziges Finale qualifizierte. Ende 2022 hatte er noch eine komplizierte Schulteroperation. „Das letzte Jahr war mental eine extreme Zeit für mich. Wir haben so viele Opfer gebracht, so viel investiert.“ In der Reha-Phase habe ihm auch der Grieche Eleftherios Petrounias geholfen, der selbst schon ähnliche Schulterprobleme hinter sich hat und in Rimini seinen Titel an den Ringen verteidigte. „Ein absoluter Schulterexperte!“, weiß Georgiou.

Als Marios Georgiou in Rimini Bronze am Pauschenpferd gewann, war das die nächste Überraschung. Er habe sich einfach gefreut, in diesem Finale zu stehen, sagte Georgiou. Als dann noch Silber am Barren und Bronze am Reck dazukamen, lachte er glücklich und ungläubig: „Jetzt habe ich keine Worte mehr.“ Die vorerst letzte historische Premiere für Marios Georgiou und das Turnen Zyperns fand übrigens gestern statt: Das Team stand erstmals im Finale der besten acht europäischen Mannschaften. Ein Zehntel besser als die deutschen Männer, die kein Finale erreichten.

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