PORTRÄT JIRI STAJNER VON CHRISTIAN OTTO
: Der Trickser

Nach dem Abpfiff setzt Jiri Stajner gern noch einmal zu ganz besonderen Dribblings an. Denn er mag den Trubel nicht, der entsteht, wenn man gleich zwei Tore in einem Spiel schießt. Es ist herrlich zu beobachten, wie Stajner immer wieder versucht, die Mikros schweigend zu umkurven. Er geht der Frage aus dem Weg, wie es ihm gelingt, zwischen Genie und Wahnsinn zu wandeln. Dieses Mal, als Hannover zu einem 2:0-Erfolg beim 1. FC Nürnberg gestürmt ist, kam das Geniale zum Vorschein.

Das ist Stajner: Du gibst ihm ein Trikot, erklärst ihm eine bestimmte Position, schickst ihn mit taktischen Anweisungen auf das Spielfeld – und am Ende kommt alles ganz anders. Es ist das Unberechenbare, das Stajner zu einem besonderen Typen in der Liga macht. Der begnadete Techniker ist oft beschäftigt, unmögliche Dinge zu versuchen, riskante Tricks zu probieren und sich mit dem Ball am Fuß selbst zu überlisten. Es ist genau dieser Schuss Übermut, der einem biederen Verein wie Hannover guttut und der Stajner in den vergangenen fünf Jahren zum Helden der 96er aufsteigen ließ.

Im Grunde ist das eine herrliche Geschichte, dass kein Gomez und kein Klose derzeit die Torschützenliste anführt, sondern der schweigsame Stajner aus Tschechien. Aber es handelt sich auch nur um eine Momentaufnahme. Und Andreas Bergmann, der sich nach dem Rücktritt von Dieter Hecking als Interimstrainer von 96 beweisen darf, ist gut beraten, weitere Glanztaten des Herrn Stajner nicht allzu fest einzuplanen. Denn den besonders schönen Momenten des Jiri Stajner folgten oft besonders trostlose Auftritte. Die Fans in Hannover wissen das. Es ist zu einem Ritual bei 96 geworden, dass die Anhänger ein lang gezogenes „Jiiiiiriiiiii“ anstimmen, wenn Stajner an den Ball kommt. Alle wissen: Wenn dieser Mann auftritt, passiert etwas Außergewöhnliches. Ein genialer Hackentrick oder ein Fehlpass, der das Prädikat „Kreisklasse“ verdient. Hannover 96 hat kein Geld für die Stars des Fußballs. Aber es hat Stajner.CHRISTIAN OTTO