piwik no script img

Stefan Alberti erlebt hilfreiches bürgerschaftliches Engagement auf seiner RadstreckeOpas gegen Scherben

Och, nö, immer noch da, die Scherben in dem Grünzug südlich vom Südkreuz, der offiziell Hans-Baluschek-Park heißt, was aber nicht richtig gängig ist. Warum macht die nicht mal jemand weg, diese Splitter, die einem die Fahrt auf dieser wunderbaren Nord-Süd-Verbindung vergällen können, die inoffiziell längst Berlins erster Schnellradweg ist? Jemand? Einer? Ja, wer denn? Der Bezirk, der Senat, die BSR, die Deutsche Bahn, denn der Bahnhof ist ja so nah?

Oder eben jener ältere Herr im Radlerdress (nein, nicht der Schreiber dieser Zeilen), der an diesem Mittwochmorgen auf diesem Asphalt mit einem Kehrbesen noch die kleinsten Splitter wegfegt. Sein Rennrad steht an der Seite, der Besenstiel scheint zusammenschiebbar zu sein und dürfte in seinen Rucksack passen. Der macht also einfach, ein Aktivist im wahrsten Sinne des lateinischen „agere“, nämlich: handeln, machen. Und auch, ohne erst mal ein Banner mit „Opas gegen Scherben“ zu malen. Konkreter und sofort folgenreicher geht bürgerschaftliches Engagement kaum: Mit jedem Besenschub ist wieder ein Meter Asphalt mehr scherbenfrei und pannensicher – und ganz groß gedacht das Radfahren attraktiver und die Verkehrswende einen Millimeter weiter.

Wieso ist einem das eigentlich selbst noch nicht in den Sinn gekommen? Nicht auf irgendwen warten, sondern selbst anpacken – saubermachen und fegen ist schließlich keine einer Behörde vorbehaltene hoheitliche Aufgabe. Das klappt ja auch beim Briefkasten um die Ecke: Nach zwanzig Mal ärgern über den ganzen Dreck und die Schmierereien darauf war es ein tolles Gefühl, den Kasten mit Spülmittel wieder gelb leuchtend gemacht zu haben. Klar, es gab da schon auch verständnislose Blicke im Sinne von „Wohl zu viel zu Zeit übrig?“. Aber seither macht es wieder mehr Spaß, einen Brief dort einzuwerfen.

Doch genug abgeschweift, zurück auf den Asphalt zwischen Südkreuz und S-Bahn-Station Priesterweg. Natürlich wäre es besser, hier führe regelmäßiger ein Besenwagen der BSR durch. Aber wenn das nicht so ist oder nicht ausreicht, ist im Zweifelsfall Selbsthilfe besser und gesünder als das berlintypische „Jemand müsste …“-Meckern.

Denn mal kurz vom Rad steigen und etwas auffegen müsste einmal die Woche eigentlich drin sein. Und ein kleiner Handfeger passt normalerweise auch noch in einen Rucksack oder eine Satteltasche. Man muss ja nicht gleich das „Opas gegen Scherben“-Banner mitschleppen. Wobei: Wenn so ein Slogan (gar nicht mal wortwörtlich gemeint und auch für Enkellose offen) zum Nachahmen und Mitmachen anregt, um so besser. Ein Berlin voller Aktivisten statt Meckerer – was für eine Vorstellung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen