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Umzug mit Folgen

Wie leben in einem Land, dessen Demokratie von rechts bedroht wird?Das beschäftigt die Malerin Kaj Osteroth, deren Bilder jetzt in der nogallery ausgestellt sind

Von Katrin Bettina Müller

Es passiert viel in den Bildern der Malerin Kaj Osteroth. Das Auge braucht Zeit, um die Sinneseindrücke zu sortieren. Starke Farbkontraste von Rot und Grün oder Türkis und Rosa strahlen Lebendigkeit aus, Zeugnisse einer malerischen Lust. Aber je mehr man die Figuren betrachtet, die sich in den Bildern drängen oder eingezwängt werden von den sie umgebenden Dingen, desto zweifelhafter wird der erste fröhliche Eindruck. Was passiert denn da eigentlich? Es ist unheimlich und nicht leicht zuzuordnen. Die Bildtitel unterstützen die Verunsicherung.

In „Bestenfalls Gespenster“ sitzt eine ältere Frau mit grauen Locken in einem Rollstuhl, blühende Frühlingszweige auf den Knien. Ein Kind zieht an den Griffen, lächelnd wendet die Frau sich zu dem Kind um. Die Äste kahler Bäume und ihre Schatten bilden ein dichtes Geflecht um alle Figuren. Eine junge Frau zielt mit einem Gewehr, sportlich sieht sie aus, aber die Geste ist auch bedrohlich. Und was machen im Hintergrund die sieben grauen Männer, mit erregten Gesten wie in einem Debattierclub?

Die ländliche Idylle, in der etwas Nichteinsehbares und Verstecktes lauert: Man kennt das aus vielen Filmen und Romanen, wie zuletzt etwa „Dunkelblum“ von Eva Menasse. Für die Malerin Kaj Osteroth steht dahinter ein Umzug mit Folgen. Nach zwanzig Jahren in Berlin zog sie vor sieben Jahren in ein Dorf im Brandenburgischen. Das Gefühl, dort auf eine undurchsichtige Vergangenheit zu stoßen, vieles nicht zu verstehen, lässt sie seitdem ebenso wenig los wie die Sorge um das Wachsen der AfD und rechter Tendenzen.

Mitten im Dorf stehe ein Grabstein mit den Namen von sieben Männern, gestorben 1945, Ende des Zweiten Weltkriegs. Unter welchen Umständen sie zu Tode kamen, darüber kursieren Geschichten, erzählt die Malerin. Waren es Nazis, die eine Frau aus Rache wegen enttäuschter Liebe an die Russen verraten hat? Dieses mögliche Szenario war der Ausgangspunkt ihres Bildes.

Ihre Bilder sind narrativ, doch keine Illustrationen konkreter Ereignisse. Vielmehr beschäftigt sich die 1977 geborene Malerin in ihnen auch mit Projektionen, Ängsten, Fantasien. Als ihr 2022 zu viele Reden eines AfD-Politikers, der Bürgermeister in Cottbus werden wollte, durch das Radio ins Wohnzimmer und ins Atelier schwappten, malte sie als Mittel der Abwehr eine Krankenhausszene, „Guess who cares, OP am Nazi-Herz“, in der eingeengt zwischen Monitoren, umschnürt von Schläuchen mit Blut eine blasse, nur grob skizzierte Gestalt unter blauen Tüchern hängt, umgeben von doch sehr grimmig blickendem medizinischem Personal.

So hat Kaj Osteroth beinahe zu jedem der Bilder, die sie unter dem Titel „… und raus bist du“ in der nogallery zeigt, eine Geschichte, die in ihre Auseinandersetzungen mit der Gegenwart und mit der Vergangenheit führt. Aber auch, wenn man dies nicht von ihr erfährt, teilen die Bilder viel von der Emotionalität des Unbehaglichen und der Verunsicherung mit.

Am Tag der Eröffnung ihrer Ausstellung am 8. März hat Kaj Osteroth ein Buch dabei, viel gelesen und mit vielen Anstreichungen, Isabell Lorey „Demokratie in Präsenz“. Seit sie auf dem Land lebt, dann kam noch die Pandemie, wurde Lektüre immer wichtiger, erzählt sie. Bücher, die ihr zeigen, sie ist nicht allein. Auf einem ihrer Bilder schläft eine Frau inmitten vieler Kissen, bestickt mit den Gesichtern von Ikonen des Feminismus.

Eine Reihe von Skizzen ist begleitend zur Lektüre von Isabell Lorey entstanden, mit Zitaten aus dem Buch, Tagesaktuellem aus dem Leben der Malerin mit Kind, aber auch Überlegungen, was man malen kann und was nicht, was man mit einem Bild in die Welt setzt, wie Diversität in Gemeinschaften malerisch umgesetzt werden kann. „Man zeichnet keine Nazis“, steht auf einem Blatt unter drei Gesichtern mit weit aufgerissenen Mündern. Auf einem anderen liegt eine Frau in der Hängematte, unter ihr am Bildrand zwei Figuren, die hilfesuchend die Hände ausstrecken.

Mitnehmen kann man, dass es sich diese Malerin mit ihren Sujets nicht leicht macht. Sie ist manchmal selbst überrascht, was ihre Bildideen ihr über das hinaus, was sie absichtsvoll hingelegt hat, noch verraten. Ihre Bilder von Gruppen, die etwa um ein Mikrofon herum zusammen etwas aufnehmen, einen Song oder einen Podcast, sind auch als Utopie im Nahbereich angelegt.

Kaj Osteroth, nogallery, Ludwigkirchstr. 10, Do. + Fr. 13–19 Uhr, Sa. 12–18 Uhr

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