: Will Berlin das Bundesbubatz?
Die Hälfte der Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Drogendelikten waren 2023 auf Cannabis zurückzuführen. Während die Cannabis-Verstöße leicht zurückgehen, steigen Koks und Crack-Delikte stark an
Von Lilly Schröder
Cannabis stagniert, Koks und Crack sind „hart im Kommen“: So schildert Sebastian Schlüsselburg (Linke) der taz die Drogenmarktlage in Berlin kurz vor der Cannabis-Teillegalisierung, die im April erfolgen soll.
Die Befunde gehen aus einer parlamentarischen Anfrage der Linke-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg und Niklas Schrader zu Rauschgiftermittlungen in Berlin hervor. Demnach sind im letzten Jahr mehr als die Hälfte aller Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Drogendelikten auf Cannabis zurückzuführen. Vom illegalen Besitz bis zum Handel wurden fast 9.000 Verdachtsfälle erfasst. Seit einigen Jahren bleiben die Verstöße im Zusammenhang mit Cannabis konstant.
Delikte im Zusammenhang mit Kokain und Crack hingegen steigen exorbitant an: Wurden im Jahr 2017 noch 895 allgemeine Verstöße verzeichnet, waren es im vergangenen Jahr 2.043. Im Jahr 2023 machten Einsätze im Zusammenhang mit Koks und Crack etwa 20 Prozent aller Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Drogenkriminalität aus.
Die organisierte Kriminalität finanziere sich zu einem großen Teil über den Rauschgifthandel, sagt Schlüsselburg. „Der Schwerpunkt muss in der Offenlegung und Trockenlegung der organisierten Kriminalität liegen.“ Angesichts der Befunde sowie der anstehenden Cannabis-Teillegalisierung, müsse es eine „angemessene“ personelle und materielle Ressourcenverschiebung von Polizei und Staatsanwaltschaft geben, fordert er: Weg vom Cannabis-Markt hin zum „Wachstumsmarkt Koks und Crack“.
In dem Bereich könne der Staat mehr Vermögen abschöpfen und die organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen, als „wenn wir den einen oder anderen in den Knast schicken“.
Die Verlagerung müsse jedoch vorsichtig erfolgen, sagt Schlüsselburg. Es dürfe nicht dazu führen, dass die organisierte Kriminalität im Cannabis-Markt den polizeilichen Fokus auf Koks und Crack ausnutze. Ob die Polizei Umschichtungen plant, ist ungewiss. Zu einsatztaktischen Vorgehen möchte sie sich gegenüber der taz nicht äußern.
Skeptisch ist Schlüsselburg auch hinsichtlich der Erwartung, dass die Teillegalisierung den Schwarzmarkt trockenlegen wird. Denn aus der Anfrage ging auch hervor, dass das Cannabis vom Schwarzmarkt mit 20 bis 23 Prozent einen doppelt so hohen THC-Gehalt aufweist wie das künftig legale Cannabis mit 10 Prozent. „Wenn die an doppelt so starkes Zeug gewöhnt sind, weiß ich nicht, ob denen das 10-Prozent-Zeug reichen wird“, sagt er.
Drogenfahnder*innen gingen davon aus, dass Konsument*innen nicht das „Bundesbubatz“ kaufen werden, sondern „krasseres Zeug“, sagt Schlüsselburg. „Das halten die für so sicher, wie das Amen in der Kirche“.
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