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Klagt reimt sich auf versagt

Der Schweizer Popstar Faber gastiert am Samstagabend mit achtköpfigem Orchester und den Songs seines neuen Albums „Adio“ im total ausverkauften Huxleys Neue Welt in Neukölln. Er wirkt aber etwas überfordert

Ja warum den so schüchtern? Faber am Samstagabend im Huxleys Foto: Axel Bradatsch

Von Ruth Lang Fuentes

Die Bühne steht im Halbdunkel. Etwas Nebel kommt auf, und dann steht da das Goran Koč y Vocalist Orkestar. Es beginnt der Background-Gesang, dann steigen nach und nach Streicher, Perkussion, Keyboard mit ein. Die Menge – das Huxleys Neue Welt an der Hasenheide ist komplett ausverkauft – feiert den pompösen Auftritt, voller Erwartung endlich den zu sehen, zu hören zu bekommen, für den sie eigentlich hier sind: Faber.

Der Schweizer Sänger lässt sich Zeit und seine Bandmusiker spielen zwar voller Inbrunst ihre Töne, brauchen aber etwas, bis sie im Spiel zueinanderfinden. Und dann kommt endlich Julian Pollina, so heißt Faber bürgerlich, auf die Bühne. Der 30-Jährige trägt eine etwas zu große, schlabberige Anzughose, die Haare sind zerzaust, seine Gitarre hat er zu hoch umgehängt.

Zunächst wirkt er schüchtern, irgendwo zwischen unsicher, demütig und dankbar, dass er überhaupt auf der Bühne stehen darf. Denn lange hatten seine Fans auf dieses Konzert warten müssen. Im September musste es wegen Krankheit verschoben werden. Mit der Tour wurde auch die Veröffentlichung seines neuen Albums, „Addio“, geschoben. Nun soll es im Juni erscheinen, aber für die ganz harten Anhänger – und davon gibt es am Samstagabend im Huxleys viele – gibt es schon heute eine kleine Kostprobe.

Denn es ist ja länger her, dass Faber und seine Band live vor Publikum gespielt haben. Und das ist leider an diesem Abend nicht zu überhören. Es braucht ein, zwei Lieder, bis das Zusammenspiel wirklich funzt. Immer wieder begleiten kleine Unsicherheiten das Konzert. Die neuen Songs von „Addio“, sie klingen alle, wie der Name schon sagt, nach Abschied. Von Liebeskummer, Melancholie und „Andrà Tutto Bene“ – alles wird gut – singt Faber. In Italienisch und auf Deutsch und auch mal in Form eines Gedichts: „Doch wenn ich hör, wie ihr leidet/ Wenn ich hör, wie ihr klagt/ Reimt sich all meine Namen/ Auf,Ich habe versagt’.“

Beim Konzert versucht Faber zwar einem roten Faden zu folgen, aber er springt doch zu sehr zwischen den Genres hin und her und lässt die Zuhörer etwas verloren zurück. Mal hat es was von Totenmesse, beim darauf folgendem Lied singt Faber dann „Nie wieder Kokain“, und es klingt nach Bierzelt; zwischendurch etwas Tango, dann eine Liebesballade, die die großen italienischen Cantautori zitiert, dann Polkarhythmus und Gegröle.

Selbst der Popstar scheint nicht ganz sicher zu sein, ob das alles so passt. Ob es tiefgründig oder banal klingt und ob er in der Banalität die Tiefgründigkeit sucht. Immer wieder verschwindet er, beobachtet von einer hinteren Ecke seine Band, trinkt einen Schluck Wasser aus dem Plastikbecher. Nach der Nicht-Liebesballade „Ihr habt meinen Segen“ für die er bei „Addio“ sogar noch einen zweiten Part komponiert hat, entschuldigt er sich aus ganzem Herzen dafür, dass die Geschichte so traurig sei. „Ich bringe Sie wieder zusammen“, verspricht er dann im leichten Schweizer Zungenschlag.

„Nein, bitte nicht!“, heißt es dann aus dem Publikum. Die Fans wollen die Melancholie, das Harte und das Nichtschöne in seinen Songs. Sein achtköpfiges Orchester begleitet ihn meistens. Doch am allerbesten klingt Faber, wenn er allein auf der Bühne steht nur mit Gitarre und Stimme. Irgendwann wird es rockig inklusive Strobolicht und vibrierendem Boden. Zum Schluss folgt dann natürlich das wohl bekannteste Lied von Faber: „Alles Gute“. Spätestens jetzt ist die Menge mehr als zufrieden. Faber scheint es auch zu sein. Er bedankt sich fast schon ein wenig zu oft beim Publikum, als könnte er dem Applaus nicht glauben. „Danke für den Vertrauensvorschuss und danke, dass wir seit zehn Jahren eine gewisse Narrenfreiheit genießen“, schreit er ins Mikro und zündet sich nach zwei Stunden Konzert und zwei Runden Zugabe dann doch eine Zigarette auf der Bühne an. Aber ein ihm sehr wichtiger Song aus dem neuen Album kommt noch; der Höhepunkt zum – offiziellen – Ende: Faber hat ein „schweizer-deutsches Requiem“ geschrieben zusammen mit seinem Vater, dem italienischen Sänger Pippo Pollina.

Am besten klingt Faber, wenn er nur mit Gitarre und Stimme spielt

Am Ende ist Fabers Stimme fast weg, und dennoch gibt er eine weitere Zugabe, und zwar eine, die mit Mehrheitsvotum vom Publikum ausgeht. „Wir können noch sechs Lieder spielen. Was wollt ihr hören?“ „Widerstand“, heißt es dann. Und: „Das Boot ist voll“. Es sind altbekannte Lieder, die die Fans hören wollen. Und Faber erfüllt ihnen den Wunsch. Alles endet – natürlich – mit „Tausendfrankenlang“, einem durchgeschwitzten Faber und einem Publikum, das ein ziemliches Auf und Ab durchgemacht hat an diesem Abend – sowohl musikalisch als auch emotional – und nun doch zufrieden wirkt.

Sie hoffen, dass „Addio“ keinen endgültigen Abschied bedeutet.

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