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Archiv-Artikel

Trullas und Mittelschichtsspießer

Rot-Grün, wir danken dir (6): Nein! Eine Geschichte mit den Grünen, die immer unter einem schlechten Stern stand

Ach, Rot-Grün! Es ist doch gut, dass es bald vorbei ist! All die Zumutungen der letzten Jahre! Man hatte sich doch immer mehr schämen müssen, grün gewählt zu haben …

Hatte es in den frühen Tagen der Grünen noch echte Charakterköpfe wie Jutta Ditfurth, Petra Kelly und ihren bekehrten General gegeben, so sind die aktuellen Promi-Grünen doch unzumutbar: Claudia Roth, die schwäbische Trulla, die bei jeder RTL- Show als Musiksachverständige und Springsteen-Fan neben Oliver Geissen sitzen muss, über deutsche Bands faselt und sich dabei immer wieder auf den armen Rio Reiser beruft, der sich nicht mehr wehren kann, und der die Grünen sowieso nie besonders mochte! Dann Deutsch-Quoten-Antje Vollmer und der ewig schlecht gelaunte Außenminister – die Vorstellung, sie alle verschwinden jetzt bald in der Versenkung, hat etwas Tröstliches.

Auch die Grünen-Wähler sind mit den Jahren immer unsympathischer geworden. Diese saturierten Mittelschichtsspießer, die man bei ihren Zeitlupentempo– Einkäufen auf dem Ökomarkt am liebsten mit einer Rübe erschlagen würde … Woher dieser tiefe Hass?, dieser Abscheu?, frage ich mich manchmal selbst erschrocken. Sollte man jetzt am Ende nicht sanfter sein, auch verzeihen können?

Meine Geschichte mit den Grünen stand von Anfang an unter keinem guten Stern. 1980 zogen die Grünen in Baden-Württemberg in den Landtag ein, und meine erste Band Zwei Mark Ungrad war engagiert worden, um auf der Wahlparty im alten Bahnhof in Baden-Baden aufzuspielen. Es war unser zweiter Auftritt, wir waren die Vorband, nach uns kam der Hauptact mit Geigen, akustischen Gitarren und Kontrabass. Wir fingen an zu spielen – ich dachte es wäre Punk, aber es war eher so mittelbadischer Rock –, spielten recht energetisch und laut, und nach den ersten zwei Stücken standen schon zwei Grünen-Frauen mit tief besorgten Gesichtern und wallenden Gewändern vor der Bühne und riefen: Jetzt lasst aber auch mal die armen Sinti und Roma spielen!

Wir zogen unser halbstündiges Programm durch und wurden danach von den Organisatoren zunehmend geschnitten, Als die Hauptband musizierte, lebten die Grünen sichtlich auf und wiegten sich im Bewusstsein ihres wahren guten korrekten Geschmacks zu den versöhnlich- einschmeichelnden Balkan- Klängen, und ich wusste schon als junger Mensch, das ist nicht meine Welt. Trotzdem hielt ich weiter zu den Grünen, was sollte man sonst machen? Die CDU bestand aus lauter Ex-Nazis, die SPD war nach Schmidt, Krisenstab und Mogadischu unwählbar geworden.

Zu Hause gab es ewige Diskussionen über die neuen grünen Themen. Mein Vater, Landwirt und seit 35 Jahren in der CDU, hatte, 1912 geboren, als Kind noch echte Hungerjahre erlebt. Er verteidigte die Erfindung des Kunstdüngers und den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln als großen Fortschritt und erklärte mich mit meinen aufgeschnappten Thesen zum biologischem Landbau für nicht zurechnungsfähig.

Ich habe zu den Grünen gehalten, weil ich als Jugendliche noch davon ausging, dass im Jahr 2000 die letzten beiden Bäume unter einem Glasdach künstlich am Leben erhalten werden, dass die heimische Tierwelt dann auf 5 Arten – etwa Katze, Hase, Maus, Reh und Spatz – geschrumpft sein würde.

Ich war aber auch gegen den Paragraphen 218 und gegen die Volkszählung und gegen die Atomkraft und gegen die Ausbeutung und die Waffengeschäfte, gegen die Bundeswehr hier und deutsche Soldaten in anderen Ländern und gegen freundschaftliche Beziehungen zu Unterdrückerstaaten .

Als ich längst hätte Schluss machen müssen, habe ich weiter zu den Grünen gehalten, und es gibt heute keinen Grund für ein „Danke, Rot-Grün“, höchstens für ein „Es war nicht alles schlecht bei Rot-Grün“.

Natürlich wird jetzt einiges schlechter und noch hässlicher als zuvor werden, aber diesmal ist es nicht meine Schuld.

CHRISTIANE RÖSINGER