: Für unabhängigen Journalismus – nicht nur bei uns
GENOINTERNATIONAL (1) Die taz verdankt ihren Unterstützern alles – und unterstützt nun vier andere unabhängige Zeitungsprojekte in Schweden, Tschechien, Uruguay und in der Türkei. „BirGün“ aus Istanbul kämpft gegen Monopole und Zensur. Mit viel Mut und zu wenig Geld
Name: BirGün
Erscheinungsort: Istanbul
Gattung: Tageszeitung
Erscheinungsweise: täglich
Auflage: 13.000
Vertriebsformen: Abo, Kiosk, online
Internetauftritt: www.birgun.net
Gründungsjahr der Zeitung: 2004
Herausgeber: Evrensel Publishment
Die Aktion „Hand in Hand“: Das Geld, das bis zum 15. September bei der taz Genossenschaft eingeht, werden wir zu gleichen Teilen an die vier vorgestellten Genossenschaften von la diaria, BirGün, Fria Tidningen und Kulturní noviny geben.
Hand in Hand“, mit dieser Aktion unterstützt die taz Genossenschaft anlässlich ihres 20. Geburtstags andere Zeitungsgenossenschaften in der ganzen Welt: BirGün aus Istanbul, la diaria aus Uruguay und Fria Tidningen aus Schweden. Bis zum 15. September dieses Jahres wird Geld gesammelt: „In den letzten zwanzig Jahren haben wir dank der Solidarität und der finanziellen Unterstützung engagierter Leserinnen und Leser die taz Genossenschaft ausbauen können. Aus dieser positiven Erfahrung heraus haben wir uns entschieden, im Jubiläumsjahr, das auch das Internationale Jahr der Genossenschaften ist, mal nicht für die taz Geld zu sammeln, sondern diese vier kleinen Mediengenossenschaften zu unterstützen“, sagt Konny Gellenbeck, Leiterin der taz Genossenschaft.
Monopolistischer Markt
Gesammelt wird zum Beispiel für BirGün, im Jahr 2004 als linke Zeitung in der Türkei gegründet. Von Anfang an wurde sie von Gewerkschaften, Ingenieur- und Architektenkammern und sozialistischen Parteien unterstützt. Und doch hat BirGün auf dem türkischen, monopolistische geprägten Medienmarkt einige Schwierigkeiten, zum Beispiel mit dem Vertrieb und den Papierpreisen. Die Verbreitung ist im Vergleich zu anderen Zeitungen niedrig – doch ähnlich wie im Fall der taz ist die Aufmerksamkeit sehr hoch. BirGün ist die einzige sozialistische Zeitung – und die einzige oppositionelle Medieninstitution in der Türkei.
Die drei größten Konkurrenten sind die großen nationalen Qualitäts-/Mainstreamzeitungen (Hürriyet, Milliyet, Sabah, etc.) und die islamischen Zeitungen, die von der Regierung und regionalen islamischen Gruppen unterstützt werden. Für BirGün bedeutet das einen Wettbewerbsnachteil: Die anderen Zeitungen werden von großen globalen Unternehmen oder islamischem Kapital unterstützt. Auch die Vertriebswege sind monopolistisch strukturiert, es gibt in der Türkei nur zwei Vertriebsfirmen, die wiederum großen Unternehmen gehören. Im Anzeigengeschäft ist es ähnlich, die Konkurrenz mit den Mainstreamzeitungen eine fast unmögliche Herausforderung.
Ein schwieriges Thema in der Türkei ist und bleibt die Zensur. Es gibt eine von Angst getriebene Selbstzensur der Journalisten und institutionelle Zensur – zwei Reporter von BirGün befinden sich derzeit in Haft, die Zeitung wird mit Klagen überhäuft.
Die Leserschaft von BirGün rekrutiert sich aus SozialistInnen, SozialdemokratInnen und progressiven Jugendlichen. Und die Zeitung kann von ihrer politisch aktiven Leserschaft profitieren, denn diese bemüht sich insbesondere mit Hilfe sozialer Netzwerke, BirGün – schon jetzt bekannt für ihre freche Titelseite und die kreativen Schlagzeilen – populär zu machen. Insbesondere im Netz werden die Inhalte der kleinen Zeitung stark rezipiert.
Und Inhalte hat BirGün reichlich zu bieten, auch über das Alltägliche hinaus. Am Wochenende erscheinen zwei Beilagen, eine widmet sich der Literatur, die andere bündelt speziell auf ein intellektuelles Publikum gemünzte Essays und Debattenbeiträge. Zudem rühmt sich BirGün, die meisten Kolumnisten aller türkischen Tageszeitungen im Programm zu haben.
Klein, aber fein ist BirGün. Ganze 35 feste und zehn freie Mitarbeiter konnten in den letzten acht Jahren einige redaktionelle Erfolge für sich verbuchen. Am meisten diskutiert wurde die Berichterstattung über ein geheimes Abkommen zwischen dem Generalstabschef Yasar Büyükanit und dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan – BirGün verfügte als einzige Zeitung über die entsprechenden Unterlagen. Für viel Aufsehen sorgte auch die Entdeckung einiger geheimer Gräber, darin die Leichen staatlicherseits ermordeter Kurden.
Zensur, Widerstände
Zensur, Vertriebsprobleme, Widerstände aller Art – das drängendste Problem bleibt das finanzielle Dilemma, in dem sich die Zeitung befindet. BirGün müht sich daher beständig, die Abonnentenzahlen zu erhöhen und das Onlineangebot besser zu vermarkten – auch BirGün versucht, seine Printausgabe als PDF zu verkaufen. Solange dies nicht ausreicht, bleiben die Unterstützer in Europa, vor allem Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden, wichtig. BirGün will sogar versuchen, in Deutschland zu veröffentlichen, braucht aber einen Partner vor Ort.
Die MacherInnen von BirGün in Istanbul geben die Hoffnung nicht auf. Sie träumen von einem großen Abonnenten- und Vertriebssystem, einem effektiven Onlinejournalismus und Onlineverkauf, einer weiterhin tragfähigen Printzeitung. In einigen Punkten unterscheidet sie sich damit wenig von der taz.
Allerdings ist es in der Türkei nicht möglich, in einer genossenschaftlichen Struktur zu arbeiten. BirGün hat deshalb ihre Arbeit zunächst als Aktiengesellschaft begonnen. Zu Beginn, im Jahr 2004, hatte die Zeitung 3.000 Anteilseigner und einen Kapitalgrundstock von 400.000 Lira – heute sind es gerade einmal 1 Million Lira. Das reicht nicht für eine bessere Zukunft.
■ Machen Sie mit, überweisen Sie Ihren Unterstützungsbeitrag auf folgendes Konto: GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 430 609 67, Kto.-Nr. 80 20 47 74 00; Kontoinhaber taz Verlagsgenossenschaft eG; Stichwort: Genointernational