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Archiv-Artikel

Heißluft im Zirkuszelt

Nicht gegendarstellungsfähig (VI): Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Tempodrom-Ermittlungen

Am 1. Juni 2005 hat das Kammergericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung der Anklage gegen den Berliner Finanzsenator Sarrazin und den früheren Bausenator Strieder (beide SPD) zurückgewiesen. Grund: Die IBB (Investitionsbank Berlin), die von den beiden verleitet worden sein soll, gut 1,7 Millionen Euro an das Kulturzelt Tempodrom ohne Parlamentsbeteiligung gezahlt zu haben, hätte auch ohne diese Zahlung keinen Gewinn an den Landeshaushalt abführen können. Aus diesem Grund fehle es für den Untreuevorwurf an einer Schädigung des Landeshaushalts.

Mit derselben Begründung hatte ein halbes Jahr vorher bereits das Landgericht die Anklage zurückgewiesen. Das Argument war nicht neu: Die Justizsenatorin hatte bereits früher im Rahmen von Aufsichtsschreiben die Staatsanwaltschaft auch auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Die Verteidiger der beschuldigten Senatoren machten sofort nach Aufnahme der Ermittlungen und fortan den fehlenden Schaden geltend.

Von alledem ließ sich die Staatsanwaltschaft nicht anfechten: Sie „ermittelte“ mit riesigem Aufwand; klagte an; gab öffentliche Erklärungen zuhauf ab; beschwerte sich über Versuche von „Einflussnahmen“ und die Übertretung der Grenzen „der Gewaltentrennung“, wenn Koalitionspolitiker wagten, sie zu kritisieren; sie folgte nicht den Mahnungen der Justizsenatorin. Der verantwortliche Oberstaatsanwalt entblödete sich Anfang 2005 nicht, nach der Entscheidung des Landgerichts öffentliche Gerichtsschelte zu üben und zu bedauern, dass nun voraussichtlich vor den Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus keine Hauptverhandlung mehr stattfinden wird. Zweifel, dass die Anklage auch vom Kammergericht nicht zugelassen würde, kamen dem Mann auch nach der Zurückweisung des Landgerichts nicht. Er erwartete stattdessen lange Prüfungen. Die schnelle Entscheidung jetzt belegt: Der Fall liegt einfach. Dass sich die Beschuldigten nicht strafbar gemacht haben, liegt auf der Hand.

Eine sorgfältig und ordentlich arbeitende Staatsanwaltschaft hätte die Bilanz der IBB lesen und nach einem Tag „Ermittlungen“ feststellen müssen, dass auch im Falle des Unterbleibens der Zahlung kein Geld an den Landeshaushalt geflossen wäre. Danach hätte sie ohne weiteres das Verfahren einstellen müssen.

Das Verhalten der Staatsanwälte hat Folgen: Ermittlungsverfahren gegen andere Beschuldigte blieben liegen, weil die Verfahren gegen Großkopfete und Politiker interessanter sind, ihnen daher „Priorität“ verliehen und die Kapazitäten auf diese Verfahren vergeudet wurden. Zeitgleich jammert die Staatsanwaltschaft organisiert über Unterbesetzungen und Überbelastungen.

Es ist an der Zeit, dass mal untersucht wird, ob Staatsanwälte, die sich juristisch zwingenden Gesichtspunkten monatelang verschließen, nicht ihrerseits „Haushaltsuntreue“ begehen: Sie vergeuden Justizressourcen und öffentliche Mittel. Frau Justizsenatorin, übernehmen Sie!

JONY EISENBERG ist Strafverteidiger und Presseanwalt in Berlin