: Timoschenko hungert weiter
UKRAINE Frühere Regierungschefin setzt Protest gegen unmenschliche Haftbedingungen fort. Staatsanwalt bestreitet Körperverletzung
AUS LWIW JURI DURKOT
Die ukrainische Ex-Premierministerin Julia Timoschenko ist aus Protest gegen unmenschliche Behandlung in der Haft in einen Hungerstreik getreten. Sie sei vergangene Woche von Wärtern brutal zusammengeschlagen worden, ließ Timoschenkos Anwalt verlauten. Sie habe einen heftigen Schlag in den Bauch bekommen, ihre Arme wiesen zahlreiche blaue Flecken auf. Sie habe auch das Bewusstsein verloren. In der Nacht zu Samstag war Timoschenko unter Anwendung von Gewalt in ein Krankenhaus in Charkiw gebracht worden, wo sie gegen ihren Willen wegen Rückenproblemen behandelt werden sollte.
Julia Timoschenko leidet seit Monaten unter starken Rückenschmerzen und kann sich al- leine kaum noch bewegen. Ärzte der Berliner Charité, die sie im Gefängnis besuchen durften, hatten in ihrem Gutachten bestätigt, dass die Oppositionspolitikerin derzeit prozessunfähig sei.
Die Staatsanwaltschaft hatte unlängst eine neue Anklage gegen Timoschenko erhoben. Sie beschuldigt die ehemalige Ikone der „orangenen Revolution“ der Steuerhinterziehung in den 90er Jahren. Zudem soll sie die Ermordung eines Geschäftsmanns aus Donezk in Auftrag gegeben haben. Die Verteidigung bestreitet die Vorwürfe.
Unterdessen hat die scheidende Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Nina Karpatschewa, die Körperverletzung im Fall Timoschenko bestätigt. In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung verlangt sie von der Staatsanwaltschaft, Anklage zu erheben sowie alle an diesem Vorfall beteiligten Personen zu suspendieren.
Politischer Prozess
Timoschenko, die im Katschaniwska-Gefängnis in Charkiw einsitzt, war im vorigen Jahr von einem Gericht in Kiew in einem politisch motivierten Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Beobachter sprachen von einem Racheakt und dem Ziel, die Oppositionspolitikerin vor den Wahlen im Herbst auszuschalten. Timoschenko, die von unabhängigen Ärzten behandelt werden will, wurde am Sonntag ohne Behandlung zurück ins Gefängnis gebracht.
Die Gefängnisbehörde und die Staatsanwaltschaft bestritten in einer ersten Stellungnahme die Körperverletzung, räumten jedoch ein, dass Timoschenko unter Gewaltanwendung ins Krankenhaus transportiert wurde. Dies sei gesetzlich erlaubt.
Wer ukrainische Gefängnisse kennt, wird der Schilderung der Staatsanwaltschaft kaum glauben. Menschenrechtler berichten von katastrophalen Bedingungen – Gewaltanwendung und Missbrauch haben hier System. Menschenunwürdige Behandlung, Pilzbefall an den Wänden, korrupte Aufseher – mit versteckter Kamera aufgenommene Bilder aus dem berühmt-berüchtigten Untersuchungsgefängnis Lukjaniwka in Kiew, die der ukrainische Fernsehsender TVi vor kurzem zeigte, sprechen für sich. In diesem Gefängnis verbüßt derzeit der frühere Innenminister Juri Luzenko seine Strafe. Er war 2011 nach einem ebenfalls politisch motivierten Prozess zu 4 Jahren Haft verurteilt worden.
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