: Die Bank soll Berlin retten
Der Senat will das aktuelle Haushaltsloch mit der Streichung von Rücklagen für die Bankgesellschaft stopfen – gegen den Willen des Finanzsenators. Erhöhung von Gebühren und Steuern nicht geplant
VON MATTHIAS LOHRE
Ein Finanztrick soll dem Land helfen, aus der akuten Misere des Doppelhaushalts für 2006/07 herauszukommen. Der Senat beschloss gestern auf seiner Haushaltsklausur, das Haushaltsdefizit in Höhe von 600 Millionen Euro größtenteils mit Rücklagen für die Risiken bei der Bankgesellschaft zu stopfen. Zuvor hatte sich Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nicht mit seinen Forderungen nach höheren Grund- und Gewerbesteuern durchsetzen können. Nun schlägt der Senat den entgegengesetzten Weg ein: Es geht ans Eingemachte.
Der Finanzsenator hat sich damit der Senatsmehrheit beugen müssen. Seine Niederlage kommentierte er gewohnt selbstbewusst: „Ich mag es ja bedauern, dass ich nicht der Diktator von Berlin bin.“ Aber der Senat arbeite nun mal „im Kollektiv“.
Bislang hatte der Senat Jahr für Jahr 300 Millionen Euro in den Landeshaushalt eingeplant. Das Geld sollte als eine Art Airbag dienen für den Fall, dass Fondsanleger der Bankgesellschaft gegenüber dem Eigentümer, dem Land Berlin, Ansprüche geltend machen können.
Laut Sarrazin wurde diese Reserve jedoch im vergangenen Jahr nicht gebraucht. Auch 2005 würden nur 70 Millionen Euro ausgezahlt, und für 2006 seien 75 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt – also immer noch 225 Millionen Euro weniger, als bislang geplant.
Hinter dem Finanzcoup, der am kommenden Dienstag den offiziellen Senatssegen bekommen soll, steht das Prinzip Hoffnung. Haushälter Sarrazin baut darauf, dass sich die Bankgesellschaft bis Ende 2007 lukrativ verkaufen lässt. Zu diesem Zeitpunkt muss sie nach EU-Vorgaben ohnehin privatisiert werden. Der Verkaufserlös soll nun als Allheilmittel bei Haushaltsbeschwerden dienen.
Mit dem Geld will Sarrazin nicht nur die Kosten der Risikoabschirmung bezahlen. Auch die Rückkäufe der Immobilienfondsanteile der Bankgesellschaft sollen aus dem Erlös finanziert werden. Unzufriedene Anteilszeichner könnten so ausbezahlt werden, damit diese das Land Berlin nicht wegen zu geringer Gewinne verklagen. Sarrazin nannte keine Zahlen – nach eigener Aussage, um potenziellen Käufern der Bankgesellschaft nicht indirekt einen Kaufpreis zu nennen. Nur so viel: „Der Verkaufspreis wird allemal ausreichen.“ Nach Grünen-Schätzungen könnte der Rückkauf der Fondsanteile bis zu zwei Milliarden Euro kosten.
Die Senatsentscheidung soll es möglich machen, im Doppelhaushalt 2006/07 nicht mehr als die geplanten 5,7 Milliarden Euro Neuverschuldung aufzunehmen. Während der Haushaltsklausur haben sich die Senatsmitglieder laut Sarrazin auch auf geringe Einsparungen geeinigt. Universitäten, Kindergärten, Kitas und Theater seien davon aber nicht mehr als geplant betroffen.
Während CDU- und FDP-Opposition die Pläne als „Offenbarungseid“ und unausgegoren bezeichneten, gab es bei den Grünen Applaus. Was die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ gefordert habe, werde jetzt endlich Realität.