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Läuft in Peru

Der Bremer Extremsportler Savas Coban läuft in dem Dokumentarfilm „Trail der Träume“ ein einsames Weltrekordrennen durch Dschungel, Wüste und das Hochgebirge von Peru

Schafe in den Anden können dem laufenden Bremer nur staunend zusehen Foto: imFilm Agentur+Verleih

Von Wilfried Hippen

Einmal stößt Savas Coban an seine Grenzen: Im Schneegestöber, auf einem etwa 5.000 Meter hohen Pass in den Anden scheint er in seinem Lauf das Gleichgewicht zu verlieren und bleibt stehen. Bald wird die Straße unpassierbar sein und eine Nacht hier oben würde der unterkühlte und erschöpfte Mann in der dünnen Höhenluft wohl nicht überleben. Da steigt er dann einmal auf seiner Reise ins Auto des Filmteams ein und fährt hinunter in den nächsten Ort. Sein Pensum war er ja schon gelaufen: wie an jedem Tag mindestens die Stecke eines Marathons, 87 Tage in Folge.

Gelungen ist ihm so, einen Weltrekord zu brechen: Gerannt ist er damit 5.170 km und hat dabei ganz Peru umrundet, stets von der Kamera begleitet. Entstanden ist dabei der Sportfilm „Trail der Träume – Mein Weltrekordlauf durch Peru“, der am 30. November in die Kinos kommt. Im Film wird allerdings nicht mal erwähnt, welchen Rekord welchen anderen Sportlers Coban gebrochen hat: Überwinden muss dieser Held nur sich selbst, seine Erschöpfung, seinen Hunger und seine Einsamkeit, denn meist läuft er ganz allein durch Peru. Dabei ist er alles andere als ein Einzelgänger. Der Kampf mit sich selbst macht den Reiz des Films aus: Da hört man Coban dabei zu, wie er sich selbst immer wieder Mut zuspricht. Hier kann man direkt miterleben, wie diese banal klingenden Sätze ihn in kritischen Momenten motivieren und Gedanken den Körper tatsächlich stärken.

Savas Coban von vorn im Schnee Foto: imFilm

Ein Held mit Selbstironie

Savas Coban ist ein gebürtiger Bremer mit türkischen Wurzeln, der zusammen mit seiner Schwester bei seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Inzwischen lebt er in Hamburg und in einem kurzen Prolog sieht man ihn zusammen mit seiner Familie, bei einem Spaziergang mit einem Freund entlang der Bremer Schlachte und beim Laufen durch die Hamburger Speicherstadt. So wird filmisch geschickt seine Geschichte erzählt: Savas konnte schon als Kind nie stillsitzen – „Vielleicht habe ich ja ADHS! “ sagt er, und seine Selbstironie macht ihn zu einem interessanten Protagonisten. Statt wie von der Mutter gewünscht, einen „ordentlichen“ Beruf zu wählen, entscheidet er sich dazu, Extremsportler zu werden. Erste Challenge: eine Radfahrt in 32 Tagen von Hamburg nach Sevilla. Dann rennt er in 45 Tagen von München nach Istanbul.

Savas Coban in gelber Funktionsjacke Foto: imFilm

Für Peru entschied er sich, weil es in diesem Land so verschiedene extreme Landschaften zu durchqueren gibt. Er rennt durch die Wüste, den Dschungel und das Hochgebirge. Bei den Vorbereitungen, unter anderem in einer Druckkammer in Hamburg, hatte er keinen Sponsor: Er war also ein Profi, ohne wie ein Profi zu verdienen, und hat sogar eine Zeit lang Pfandflaschen gesammelt, um über die Runden zu kommen. Schließlich entschied sich die Filmproduktionsfirma „Ravir Film“ aus Dresden, ihn bei seinem Rekordversuch mit Kameras zu begleiten. Ganz ohne deren Unterstützung hätte Coban es wohl auch nicht geschafft: Dies wird in einer offenkundig inszenierten Filmsequenz deutlich, in der er mitten in der peruanischen Wüste einen Koffer „findet“, der wirkt, als wäre er aus dem Himmel gefallen, und in dem sind seine „Wintersachen“, die er fürs Hochland braucht.

Savas Coban von hinten am Strand Foto: imFilm

Meist scheint es aber, als würde das Kamerateam den Läufer begleiten, ohne sich einzumischen: So muss er sich abends nach dem Laufen oft noch um Essen und einen Schlafplatz kümmern. Manchmal muss eine Packung Kekse und eine Plastikplane unter freiem Himmel reichen.

Savas Coban mit Flagge Foto: imFilm

Mit Protest-Pappschild durch die Barrikaden

Savas Coban mitten auf dem Weg Foto: Foto:imFilm

Das Kamerateam macht dazu schöne Landschaftsbilder und filmt den Läufer aus dem Auto heraus. Trotz dieser Schauwerte bleiben aber der Höhepunkt Cobans eigene Handy-Aufnahmen, bei denen die Strapazen spürbar werden, die er auf sich nimmt. „Trail der Träume“ ist kein Reisefilm. Peru wird jenseits von ein paar Postkartenansichten – vom Titicacasee und von der Ruinenstadt Machu Picchu – vor allem als Herausforderung betrachtet. Die Realität des Landes durchdringt den Film dennoch, weil Coban ja nicht in einer abgeschotteten Arena seinen Sport ausübt, sondern auf den Straßen von Peru. So läuft er auch mitten in eine politische Krise hinein: Im Jahr 2022 gab es in Peru Aufstände, bei denen Barrikaden gebaut und Straßen gesperrt wurden. Coban konnte an einem Kontrollpunkte die Widerständler davon überzeugen, allein weiterlaufen zu dürfen. Das Filmteam aber musste zurückbleiben und Coban hatte ein Pappschild mit einem der Slogans des Protests bei sich zu tragen.

Die Regisseurinnen Dorit Jessner und Steffi Rostoski, deren Hauptaufgabe darin bestand, dem Film im Schneideraum nach den Dreharbeiten eine Dramaturgie zu geben, beweisen nicht nur in dieser Sequenz, dass sie auch einen Sinn für die Absurdität dieser Unternehmung haben. Ebenso spricht für ihr Geschick als Erzählerinnen, dass sie die Kernfrage des Films nicht beantworten: Warum nur muss Savan Coban immer rennen?

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