: Aus eigener Kraft
CHAMPIONS LEAGUE Es sind nicht nur die Millionen, die den Münchner Erfolg ermöglichen. Er ist zu einem Gutteil hausgemacht
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Klar, am Ende war es Bastian Schweinsteiger, der als Held des FC Bayern gefeiert wurde. Sein Elfmeter beendete das Spiel bei Real Madrid. Natürlich wurde auch Manuel Neuer gefeiert. Der Keeper hatte zwei Elfmeter gehalten. Nach einem denkwürdigen Fußballabend, an dem die Münchner der Welt gezeigt haben, wie gut sie eigentlich Fußball spielen können, stand die Frage nach dem Matchwinner im Raum. Schweinsteiger oder Neuer? Diese Namen werden noch oft genannt werden, wenn über das Halbfinal-Rückspiel im Madrider Stadion Santiago Bernabeu gesprochen wird – und es kann gut sein, dass noch lange darüber gesprochen wird.
Schweinsteiger, der echte Bayer, und Neuer, der wohl erst seit gestern endgültig mehr ist als der Ex-Schalker, sie stehen für ein Erfolgsmodell, das die Bayern zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren ins Endspiel der Champions League gebracht hat. Der Torhüter steht dabei stellvertretend für die Eingekauften im Bayernkader, Schweinsteiger für die Selbstgemachten.
Längst ist es nicht mehr so, dass eine Mannschaft des FC Bayern allein im Büro den Managers, in Verhandlungen mit Spielerberatern und nach Bezahlung von irrsinnigen Summen entsteht. Das Team, das man auch nach zwei verpassten Meisterschaften hintereinander getrost als Erfolgsmannschaft bezeichnen kann, besteht zu einem Gutteil auch aus Spielern, die auf den Trainingsplätzen an der Säbener Straße zur Profireife geführt worden sind. Am Mittwoch standen mit dem 19-jährigen Österreich-Import David Alaba, Kapitän Philipp Lahm, dem beinahe schon auf Weltklasseniveau agierenden Innenverteidiger Holger Badstuber, Toni Kroos, der als 16-Jähriger zur Bayernjugend gestoßen ist, dem erwähnten Mittelfelddominator Schweinsteiger, der in Madrid so viele Ballkontakte hatte wie kein anderer, und dem Edelreservisten Thomas Müller insgesamt sechs Spieler auf dem Platz, die die Bayernschule durchlaufen haben. So hausgemacht waren die Bayernerfolge seit den 1970er Jahren nicht mehr. Natürlich sind die oben Genannten nicht als kleine Kinder von ihren Eltern bei den Bayern angemeldet worden und, wie es hoffnungslose Fußballromantiker gerne sagen, ihrem Verein treu geblieben. Sie sind als Jugendliche gescoutet worden und dann – solange sie die Erwartungen der Trainer erfüllt haben – auf dem Trainingsgelände der Bayern veredelt worden.
Diese Art der Nachwuchssichtung und -förderung ist mittlerweile ebenso professionell wie die Portemonnaiepolitik, die natürlich weiter betrieben wird beim Rekordmeister. Im Gegensatz zu den Selbstgemachten, müssen die Eingekauften nach ihrer Unterschrift in München indes erst noch integriert werden. Wie schwer das oft ist, zeigt auch das Beispiel Manuel Neuer, der erst zum Helden im Elfmeterschießen werden musste, um die volle Anerkennung des kritischen Münchner Publikums zu erlangen. „Koan Neuer“-Täfelchen wird beim „Finale dahoam“ am 19. Mai wohl niemand in die Höhe halten. Bis dato hatte jeder der seltenen Fehlgriffe als Beleg dafür herhalten müssen, dass Neuer einfach nicht zu den Bayern passt.
Und während man sich immer wieder Sorgen macht, ein Arjen Robben könnte allzu selbstsüchtig werden, der gewiss nicht einfache Franck Ribéry irgendwann einmal einen Aufstand anzetteln, wie er es im französischen WM-Quartier in Südafrika gemacht hat, der 30 Millionen Euro teure Mario Gomez könnte sein Geld doch nicht wert sein, wissen die Betreuer der Bayern, was sie an ihren Selbstgemachten haben. In dieser Hinsicht ist der FC Bayern durchaus mit dem FC Barcelona zu vergleichen. Dessen Nachwuchsarbeit wird immer wieder über den grünen Klee gelobt. Cesc Fàbregas, Andrés Iniesta, Lionel Messi, Carles Puyol, Víctor Valdés oder Xavi Hernandez, die alle in La Masia, der Jugendakademie des Klubs, ausgebildet worden sind, gelten als Musterprofis. Die teuer eingekauften Stars, die sich Barcelona auch immer wieder holt, sind nur Ergänzungen. Ganz so weit sind die Bayern da nicht – noch nicht.