Die Deutschen jammern – und spenden weiter

Welthungerhilfe freut sich über Rekordeinnahmen, und dies auch ohne Tsunami. Kritik an Rot-Grün: Entwicklungshilfe konzentriere sich zu wenig auf die Ärmsten. Appell an Schwarz-Gelb: Das Entwicklungsministerium muss bleiben

BERLIN taz ■ Was kümmern uns die Armen in fernen Ländern, wenn wir uns in Zeiten von Hartz IV selbst Sorgen machen? – angesichts der miesen Stimmung im eigenen Land wäre es nicht erstaunlich, wenn die Deutschen so reagieren würden. Doch weit gefehlt: Hilfsorganisationen freuen sich in letzter Zeit über Spenden auf Rekordniveau. Der Deutschen Welthungerhilfe stand 2004 so viel Geld zur Verfügung wie noch nie in ihrer 43-jährigen Geschichte. 33,4 Millionen Euro wurden gespendet, 70,6 Millionen schoss der Staat zu.

Und ein Rekordergebnis, darauf legt Generalsekretär Hans-Joachim Preuß Wert, wäre auch ohne die Spendenwelle für die Tsunami-Opfer in Asien zustande gekommen. Nach der Flutkatastrophe im Dezember spendeten die Deutschen an die Welthungerhilfe 2,6 Millionen Euro – das sind weniger als 8 Prozent der Gesamtspenden. Preuß: „Die Hilfe für die Tsunami-Opfer lenkt uns also nicht vom Kampf gegen den chronischen Hunger vor allem in Afrika ab.“ Im Gegenteil: Weiterhin stehen afrikanische Länder an der Spitze der Empfänger. Kongo erhielt 2004 gut 16 Millionen, der Sudan fast 12 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte floss in Hilfe für Flüchtlinge und Kriegsopfer, gut ein Viertel in den Aufbau von Landwirtschaft und 14 Prozent in „Basisinfrastruktur“ wie Straßen und Schulen. Zu den Schwerpunkten gehört auch Darfur. Franz Heidhues, stellvertretender Vorsitzender, betonte, dass seine Leute sich auch dann noch um Vertriebene kümmern, wenn die Medien wieder abgereist sind. „In Darfur spielt sich weiterhin das Drama des stillen Hungers ab.“ Das Gleiche gilt für die Tsunami-Region, die Darfur in Sachen Weltbetroffenheit ablöste.

Trotz der immer wieder betonten „Überparteilichkeit“ seiner Organisation äußerte sich Preuß gestern auch zum möglichen Regierungswechsel: „Wir wünschen uns weiterhin ein eigenständiges Entwicklungsministerium mit einer kämpferischen Ministerin“, sagte er an die Adresse von CDU und FDP. Aus deren Reihen hatte man bereits vernommen, dass Entwicklungshilfe stärker in den Dienst von Wirtschafts- und Außenpolitik gestellt werden soll.

Doch auch an Rot-Grün übte Preuß Kritik: Die Welthungerhilfe erwarte eine Konzentrierung auf Länder, in denen Armutsbekämpfung kaum aus eigener Kraft möglich ist – eine klare Absage an die hohen finanziellen Hilfen für Länder wie China, deren Firmen längst marode Betriebe in Deutschland aufkaufen. Und: Das Versprechen, die Entwicklungshilfe bis nächstes Jahr auf 0,33 des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, müsse gehalten werden – was Preuß, wie andere Experten auch, bezweifelt. „Dazu müsste der Haushalt des Ministeriums um 1,4 Milliarden Euro aufgestockt werden.“

Wo das Geld weggespart werden soll – das bleibt die große Frage. Zumindest was die privaten Spenden angeht, wird allerdings deutlich, dass es in Deutschland durchaus auch Menschen gibt, deren Wohlstand zunimmt: Während von Arbeitslosigkeit oder stagnierenden Renten betroffene Spender weniger Geld überwiesen, hatten andere das Gefühl, sie müssen jetzt mehr von ihrem Wohlstand abgeben. KATHARINA KOUFEN