berliner szenen: Meine Vintage-Verkäuferin
Heeey, lange nicht gesehen!“, sagt sie immer, wenn sie mich wiedersieht. Jedes Mal, wenn ich bei ihr vorbeischaue, läuft Stereo Total. Es ist immer die deutsche Version von „J’aime l’amour à trois“ – „Ich liebe die Liebe zu dritt“, die erklingt, wenn ich durch die Tür trete. Und dann folgt als Nächstes „Du bist gut zu Vögeln“.
Die Musik passt zu ihrem Vintage-Secondhand-Laden in Neukölln und zu ihr: Mit ihrem 60er-Jahre-Look und ihrer Beehive-Frisur sieht sie aus, als würde sie selbst Mitglied einer Popband sein. Aber wenn ich sie frage, ob sie etwas mit Musik zu tun hat, lacht sie sich kaputt. „Schön wär's“, antwortet sie.
Manchmal wenn ich im Laden bin, unterhält sie sich schon mit anderen Kund*innen oder Nachbar*innen. Sie beschwert sich oft, dass geklaut wird, dass zu wenige Leute kommen oder dass manche ihre Kleidung zu teuer finden. „Alles ist teurer geworden, was soll ich denn machen?“, sagt sie dann. Ich denke das auch, doch nehme ich alles mit, was sie mir in die Hand drückt, ohne den Preis herunterzuhandeln. Auch wenn mir das Stück nicht richtig passt, mag ich es, wenn sie sagt, dass es wie für mich gemacht sei, und lasse mich überzeugen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich sie nicht so oft besuche. Wenn ich aber im Kiez bin, zum Beispiel am Reuterplatz, bekomme ich Lust, bei ihr einen Blick vorbeizuwerfen.
Wenn wir nicht über Klamotten oder Musik reden, möchte sie immer wieder wissen, was ich beruflich mache – „Ah ja, ich hatte das vergessen“ –, oder sie erzählt mir über ihre Tochter, die noch zur Grundschule geht, gern Skateboard fährt und zeichnet. Mit ihren Zeichnungen habe sie Magneten gemacht, die sie im Laden zum Verkauf anbietet. Tiere, Emojis, Blumen. Mein Kühlschrank ist voll davon, ich habe sie alle gekauft. Luciana Ferrando
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