: Hilfe im Notfallmodus
Die humanitäre Lage in Gaza ist schlecht. Hilfsorganisationen können nur das Nötigste abdecken
Von Tanja Tricarico
Rund 2,3 Millionen Menschen leben im Gazastreifen. Mit der vollständigen Abriegelung der Grenzübergänge zu Israel hat sich die humanitäre Lage dort dramatisch verschlechtert. Die Versorgung mit Energie, Wasser und Lebensmitteln soll gestoppt werden.
Laut dem UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) hat sich die Zahl der Geflüchteten in den vergangenen 24 Stunden drastisch erhöht. Zahlen vom Dienstag gehen von fast 140.000 Personen aus, die in rund 80 Schulen, die von UNRWA betrieben werden, Zuflucht suchen. Die Bedingungen seien äußerst schwierig, schilderte eine Sprecherin, die Unterkünfte seien überfüllt, da die Schulen auf diese Notfallsituation nicht vorbereitet seien. Rund eine halbe Million Menschen konnten keine Lebensmittelrationen mehr bekommen, da die entsprechenden Zentren geschlossen sind. Mobile Toiletten und Duschanlagen werden derzeit erst in die Notunterkünfte gebracht. Zudem sollen Matratzen, Bettwäsche, Matten, Hygieneartikel geliefert werden. Allerdings fehlt es an allen Ecken und Enden, um die vielen Menschen ad hoc zu versorgen.
Auch das Evangelische Hilfswerk Brot für die Welt hat Projektpartnerschaften im Gazastreifen. Die Organisation verurteilte die Terrorangriffe der Hamas vom Wochenende aufs Schärfste und wies darauf hin: „Die Hamas kalkuliert bewusst ein, dass die palästinensische Zivilbevölkerung leidet“, sagte Sprecher Thomas Beckmann der taz. Durch die Abriegelung könnten dringend benötigte Lieferungen von Lebensmitteln, von medizinischen Produkten oder Diesel zur Stromversorgung nicht mehr die Bevölkerung erreichen.
„Die Krankenhäuser sind völlig überlastet, medizinische Produkte und Medikamente sind knapp“, so Beckmann. Insgesamt unterstützt Brot für die Welt derzeit vier Projektpartnerschaften im Gaza-Streifen. Es geht um Einrichtungen, die Mütter mit ihren Kindern unterstützen, um psychologische und therapeutische Hilfen, um gewaltfreie Konfliktbearbeitung sowie um berufliche und außerschulische Bildung.
Misereor-Sprecher in Bethlehem
Auch das katholische Caritas Baby Hospital in Bethlehem im Westjordanland hat Engpässe. Laut Carmen Sibbing, Leiterin der Kinderhilfe Bethlehem im Deutschen Caritasverband, ist damit der Zugang nach Israel für die palästinensische Bevölkerung aus dem besetzten Gebiet nicht mehr möglich. So hätten auch viele Patienten außerhalb von Bethlehem keinen Zugang mehr zum Caritas Baby Hospital. Auch wenn sich die Leitung, Ärzt:innen sowie Sozialarbeiter:innen des Krankenhauses bemühen, ist unklar, ob chronisch kranke Patient:innen mit dringend benötigten Medikamenten versorgt werden können. Anfragen von Eltern mit kranken Kindern würden bei Bedarf telefonisch beantwortet. „Im Weiteren wurden die Reserven an Medikamenten, medizinischem Verbrauchsmaterial und Heizöl für den Winter aufgestockt“, erklärte Sibbing. Das Präsidium der Kinderhilfe Bethlehem wies darauf hin, dass Spenden ausschließlich dem Caritas Baby Hospital und damit der medizinischen Versorgung von kranken Kindern zugutekämen.
Die Menschen im Gazastreifen seien auch weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen – bereits vor der Eskalation sei die Lage vor Ort katastrophal gewesen, heißt es aus dem kirchlichen Hilfswerk Misereor. „Es wäre ein falsches Zeichen, wenn die Unterstützung ausgerechnet für diejenigen zivilgesellschaftlichen Akteure infrage gestellt wird, die sich in der Region für Aussöhnung und Frieden einsetzen, ganz besonders in der jetzigen Situation der größten Not“, so ein Sprecher. Misereor erhält finanzielle Unterstützung vom Bundesentwicklungsministerium. Nach Angaben des Hilfswerks wird das Aussetzen der Entwicklungszusammenarbeit in den Palästinensischen Gebieten keine Folgen für die Hilfsprojekte haben.
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