LESERINNENBRIEFE
:

Dauerkonflikt entschärfen

■ betr.: „Vollbremsung der Diplomaten“, taz vom 23. 4. 12

Klaus Hillenbrand hat leider die unrühmliche Rolle der EU in diesem Konflikt unterschlagen. Hätte sie ihren Einfluss im richtigen Moment genutzt, wäre die Insel Zypern heute nicht mehr geteilt und ein Krisenherd von der europäischen Landkarte verschwunden. Insbesondere muss man das historische Versagen des damaligen Erweiterungskommissars Verheugen erwähnen, der die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Zypern in der Zeit bis 2004 zu verantworten hatte. Denn zeitgleich verhandelten Inseltürken und Inselgriechen über die Wiedervereinigung ihres Landes unter Federführung der UNO.

Nachdem der Beitritt zur EU ausgehandelt war und von Brüssel zugesichert wurde, lehnten die Inselgriechen den ebenfalls ausgehandelten Annan-Plan zur Errichtung einer Konföderation beider Inselteile am 24. April 2004 in einer Volksabstimmung ab und brüskierten damit die Staatengemeinschaft, die nun nicht mehr zurückkonnte. Am 1. Mai 2004 wurde der griechische Teil Zyperns Mitglied der EU. Man muss der Brüsseler Verhandlungsführung leider vorwerfen, dass sie die Aufnahme des Landes nicht an eine von beiden Parteien akzeptierte und legitimierte Lösung für eine Wiedervereinigung gekoppelt hatte. Vielleicht hätte man sogar bis zum Vollzug des Zusammenschlusses warten sollen.

Nun ist die EU drauf und dran, den Fehler von damals zu wiederholen. Jetzt will Serbien in die EU und natürlich ohne das Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen. Wird man diesmal den Aufnahmewillen eines Landes nutzen, um einen Dauerkonflikt zu entschärfen oder wird man sich erneut ein ungelöstes Staatenproblem mit strittigen Grenzen in die Gemeinschaft holen?

HARTMUT GRAF, Hamburg

VW hat nichts dazugelernt

■ betr.: „VW investiert in Unruheprovinz“, taz vom 23. 4. 12

Es steht schlecht um die Glaubwürdigkeit der „westlichen Wertegemeinschaft“. Ob es kürzlich das makabre Formel-1-Theater im totalitären Bahrain war, wo zeitgleich zum Rennen freie Meinungsäußerungen mit purer Gewalt niedergeschlagen wurden, oder ob es die Hannover-Messe 2012 ist, deren Organisatoren ausgerechnet China zum „Partnerland“ küren: einen Einparteienstaat, in dem Hinrichtungen, Folter, Zwangsarbeit und Rassendiskriminierung Alltag sind. Wenn es um Wirtschaftsbeziehungen geht, werden demokratische Maßstäbe bei uns für null und nichtig erklärt. Und wenn VW-Chef Winterkorn sich zu der Aussage „China liegt uns am Herzen“ hinreißen lässt und dort ohne jede Vorbedingung Milliarden investieren will, haben Menschenrechte bei ihm offenbar den selben Stellenwert wie bei seinen Vorgängern zu Zeiten des KdF-Wagens.

Auch dass das geplante VW-Werk in einer höchst problematischen Region errichtet werden soll, kommt nicht zur Sprache. Ürümqi ist die Hauptstadt von Uigurien, das 1949 gewaltsam China einverleibt wurde. Die Uiguren werden, wie auch die Tibeter, aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert und gegenüber den angesiedelten Han-Chinesen auf allen Gebieten benachteiligt.

Volkswagen hat aus seiner eigenen Gründerzeit anscheinend nichts gelernt. ANNE GRAF, Wendisch-Evern

Ein eher einfaches Bekenntnis

■ betr.: „Ukraine: Gauck sagt Reise ab“, taz vom 27. 4. 12

Ich frage mich, warum die Ukraine und warum gerade bei Frau Timoschenko? Dass dieses Land kein Rechtsstaat ist, war doch vorher klar. Spannend ist auch, wie verhalten sich Gauck & Co. bei China, Russland oder Saudi-Arabien.

Wenn der Bundespräsident genauso hohe Maßstäbe bei Herrn Putin anlegt oder eine Einladung nach China ablehnt, hat er wirklich Respekt verdient. Das jetzt ist ein eher einfaches Bekenntnis zur Rechts- staatlichkeit ohne große wirtschaftliche Einbußen für unser Land. MARKUS MEISTER, Berlin

Immer das gleiche Rumgegurke

■ betr.: „Ukraine: Gauck sagt Reise ab“, taz vom 27. 4. 12

Es ist immer das gleiche Rumgegurke. Da bereisen unsere Politiker Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und … halten die Klappe. Meist mit einem Pulk von Firmenbossen im Schlepptau, wägen sie jedes Wort sorgsam ab, um ja der Wirtschaft nicht zu schaden. Oder wie jetzt geschehen, sagt unser Kuschelpräsident die Reise vorsichtshalber gleich ganz ab, um unangenehmen Gesprächen aus dem Wege zu gehen.

Verdammt noch mal, warum hat keiner unserer Politiker so viel Eier in der Hose (Zitat Oliver Kahn), um mal in aller Öffentlichkeit und vor Ort Tacheles zu reden. Ich brauche keinen Freiheitspräsidenten, der daheim auf dem Sofa mit dem Finger zeigt und sagt: Du, du, du böser Janukowitsch, du. Und das war’s dann auch schon.

HERBERT MAYER, Kempten