berliner szenen: Nachbarin sammelt Geld
Sie sammelt Geld für ihre Nachbar*in. Die Nachbarin könne das Haus nicht verlassen, sie habe kein Geld, sei arm. „Ich mache das für sie“, erklärt mir die ältere Dame mit den kurzen grauen Haaren und dem blauen Mantel. Auf die Straße zu gehen, meine sie, um ein Paar Euros zu sammeln.
„Junge Frau!“, hat sie mir hinterhergerufen, an einer Ampel in der Hermannstraße. In ihrer Hand hält sie ein Kästchen, drin sind Perlenohrringe, eine Halskette aus Holzkugeln und eine kleine Glocke. „Würden Sie mir die Ohrringe abkaufen?“, fragt sie und guckt sich meine Ohren an. „Ihnen würden sie gut stehen.“
Ich bitte um Entschuldigung: Ich habe nur meine EC-Karte dabei. „Sie können Geld abheben“, schlägt die Frau vor. Ja, das würde ich gerne machen, aber ich habe es eilig. Ich wünsche ihr viel Erfolg, sie nickt, und ich bereue meine Antwort sofort. Ich suche doch einen Automaten und sehe dann erleichtert, dass sie immer noch am selben Ort ist. Ich reiche ihr einen Schein und sage, das sei eine Spende. Sie versucht trotzdem, mir etwas dafür zu geben. Die Ohrringe sind aber nicht mein Ding. „Die Kette vielleicht?“ Ich schüttle den Kopf und möchte wissen, was ihrer Nachbarin widerfahren ist. Sie sei krank geworden, als ihr Mann gestorben ist, erzählt sie. Seitdem könne sie nichts tun. „Früher haben wir ganz viel zusammen unternommen“, sagt die Frau und schweigt.
Dann fällt ihr plötzlich etwas ein. „Warten Sie, ich habe was anderes für Sie, besser als die Ohrringe.“ Sie wühlt in ihrer Tasche. „Kopfhörer mit Radio, Sie müssen nur die passende Batterie finden.“ Ich sage, das sei cool – sehr achtziger Jahre. Sie lacht, und ich verabschiede mich. „Junge Frau!“, höre ich hinter mir wieder, und als ich mich umdrehe: „Ich dachte nicht, dass Sie zurückkommen. Danke.“
Luciana Ferrando
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