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Archiv-Artikel

Jetzt erst recht

Lars Harms lässt sich nicht einschüchtern: Der Landtagsabgeordnete vom Südschleswigschen Wählerverband will, dass die Partei der dänischen Minderheit bei der Bundestagswahl antritt

von Benno Schirrmeister

Da war er wieder – der Dänenhass. Als hätten die Leitartikler 1864 unter Generalfeldmarschall Wrangel an der Eider eine schwere Kopfverletzung davon getragen, tröterten und schimpften sie kurz vor und eine ganze Zeit nach der schleswig-holsteinischen Landtagswahl gegen die Minderheiten-Partei SSW. Okay, Bild ist halt Bild, da darf man sich keinen Illusionen hingeben.

Aber auch gediegenere Blätter zeichneten den Südschleswigschen Wählerverband plötzlich als eine Art Schmarotzer-Club. Er verhalte sich wie ein Party-Besucher, befand die gastfreundliche FAZ, der zur Auflage mache, dass er „sich an Speisen und Getränken laben darf, aber nicht zum Abwaschen herangezogen wird“. Von „politischem Wikingertum“ war die Rede, und mit drohendem Unterton erklärten CDU-Granden, man könne Minderheiten-Rechte auch überstrapazieren. Nicht gedruckt erschienen volkszornige e-Mails, Telefonterror und Morddrohungen, die daraufhin bei der Parteizentrale und der ihr nahe stehenden Kultur-Organisation in Flensburg eintrudelten.

Lars Harms hat das zwar gestört, und er sagt, es sei „wichtig gewesen, zu sehen, wie die Leute jenseits der Sonntagsreden denken“. Aber sonderlich beeindruckt hat’s ihn nicht: „Ich kann wegen solcher Anfeindungen nicht sagen“, so der SSW-Landtagsabgeordnete zur taz, „kommt, lasst uns auf unsere politische Stellungnahmen verzichten und lieber ein bisschen mit allen kuscheln.“ Also fordert der Nordfriese, der SSW möge zur Bundestagswahl antreten – und zwar „jetzt erst recht“.

Das ist keine neue Forderung: Harms vertritt sie seit jeher, unterstützt wird er durch den einflussreichen Karl Otto Meyer – SSW-Legende, seit Uwe Barschel (CDU) wegen seiner Stimme baden ging. So wurde die Frage einer Kandidatur für die Bundestagswahl auch 1998 und 2002 in der Partei der dänischen und friesischen Minderheit kontrovers diskutiert. Beide Male aber hatten die Skeptiker in den Reihen des Wählerverbands eine deutliche Mehrheit.

Wie es momentan ausschaut, soll am 21. Juni ein Sonderparteitag klären. „Mein Gefühl ist“, sagt SSW-Sprecher Lars Bethge denn auch, „dass die Stimmung eher ablehnend ist.“ Und auch Frontfrau Anke Spoorendonk gilt zwar „dem Herzen nach“ als Befürworterin – hält aber die Ressourcen der Kleinstpartei für zu knapp. Darüber sei durchaus nachzudenken, so Harms. Aber: „Wir haben ein Programm, das stark geprägt ist vom Ziel der sozialen Gerechtigkeit“, sagt er. „Und wir haben auch die geeigneten Leute.“ Dass er sich damit keinesfalls selbst meine, schiebt er gleich ungefragt hinterher. „Es geht ja nicht um einen persönlichen Vorteil.“

Jedenfalls: Wer auch immer für den SSW antrete habe „hohe Chancen in den Bundestag zu kommen“. Gelungen ist das bisher allerdings erst einmal – in der ersten Wahlperiode. Von 1949 bis 1953 vertrat Hermann Clausen die Südschleswiger in Bonn.

Nein, Harms ist kein Traumtänzer, Harms ist Betriebswirt, und rechnerisch gab es selten eine günstigere Gelegenheit, den Dannebrog im Bundestag zu hissen: Einerseits gilt natürlich die erst kürzlich vom Verfassungsgericht bestätigte Befreiung von der Fünfprozenthürde für die gesamte Republik – schließlich ist sie im Bundeswahlrecht verankert. Andererseits: „Im Februar hatten wir das zweitbeste Ergebnis unserer Geschichte“, so Harms. Bei 50.000 Wählern hat sich der SSW in Schleswig-Holstein eingependelt. Das würde zwar wahrscheinlich noch nicht reichen – wenn die Beteiligung so hoch bliebe wie bei der Wahl 2002, bräuchte man 70.000 Stimmen fürs Mandat. Aber der Image-Verlust der Traditionsparteien könnte durchaus für den nötigen Nachschub sorgen. „Wir sind die Partei der friesischen und dänischen Minderheit“, sagt Harms zwar, „und wir schielen nicht auf Protestwähler.“ Aber das ist auch gar nicht nötig. Schließlich ist das in der Kieler Erklärung von 1949 bereits geregelt. Die nämlich trifft die Festlegung, dass „Däne ist, wer will.“