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Wenn ein Schornstein in die Knie gezwungen wird

Zwei Fanfaren ertönen, Nach­ba­r*in­nen sammeln sich im Hausgarten neben der dort hängenden Wäsche. Auch in der Kleingartenkolonie und an der Absperrung in der Arno-Nitzsche-Straße richten sie bereits ihre Handys zum Himmel und warten. Wir beobachten das Geschehen aus dem Wohnzimmerfenster.

Kurz nach 10 Uhr – nach der dritten Fanfare – erfolgt die Sprengung: Es knallt zweimal, wir halten inne, der „Max Reimann“-Schornstein kollabiert. Er fällt sekundenschnell und doch wie in Zeitlupe in sich zusammen. Die Wohnung vibriert, die Katze erschrickt. Eine riesige Staubwolke breitet sich aus, alle jubeln.

Bis auf uns. Der Schlot, ein 170 Meter hohes Überbleibsel der Braunkohle-Ära, verschwindet nicht nur „für immer aus dem Stadtbild“, wie die Leipziger Zeitung schrieb, sondern auch aus unserem Alltag. Er begleitete uns beim Grillen im Garten oder Arbeiten an trüben Tagen. Bei Sonnenaufgang oder in der Nacht haben wir ihn oft fotografiert.

Leipzig-Connewitz

19.500 Ein­wohner*innen.

Seit 27 Jahren war der Schornstein des ehemaligen Braunkohleheizwerks „Max Reimann“ außer Betrieb. Im vergangenen Jahr musste die Sprengung verschoben werden: Es gab Einwände von Anwohnern.

Draußen ist die Stimmung feierlich, viele sitzen auf der Straße, es gibt Sektfrühstück. Wir dagegen laufen Arm in Arm Richtung Trümmer, wir sind traurig. Luciana Ferrando

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