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meinungsstark

Offener Brief an A 100-Demo Berlin

„Große Party gegen die Autobahn“, taz vom 4. 9. 23

Bezugnehmend zur Demonstration „A100 wegbassen“ am Samstag, den 02.09.2023 im Lasker Kiez zwischen Ostkreuz und Elsenbrücke. Hallo liebes Bündnis „A100 stoppen“ – Hallo werte Organisatoren „A100 wegbassen“ – Hallo werte Clubcommission, wir die Bewohner, die Anwohner, die Fahrradfahrer, die Hundehalter, die Vereinsmitglieder „Laskerwiesen e. V.“, wir die direkt Betroffenen vom Bau der A100 durch Friedrichshain, wir wenden uns an Euch und möchten offen fragen, ob ihr mit diesem Emissions-Spektakel am Samstag wirklich gegen Emissionen etwas erreichen wollt?

Wir waren begeistert, als wir hörten, welchen Anklang der Widerstand gegen dieses wahnwitzige Bauprojekt im ganzen Stadtgebiet hat. Viel zu teuer, nicht zeitgemäß, nicht notwendig, zerstört Lebens- und Kulturlandschaft, wird eine Dauerlärmquelle welche uns Lärm geplagten Anwohnern im Lasker Kiez den Rest geben wird. Es widerspricht in jeglicher Hinsicht dem gesunden Menschenverstand. Jedoch entspricht Euer Spektakel eben auch in jeglicher Hinsicht dem gesunden Menschenverstand. Welchem Zweck soll es dienen und welchen Mehrwert haben wir, die Bewohner und Anwohner des Lasker Kiezes, wenn eine Horde besoffener, feierwütiger Drogenkonsumenten lärmend in unseren Kiez einfällt? Welches Vorbild soll dies sein, wenn Berge an Müll zurückgelassen werden? – Plastikflaschen, Flyer, Kippen, Kronkorken zu tausenden liegen bleiben? Wenn Tausende Flaschen den Kiez fluten, um nach Stunden des Rauschspektakels in Millionen Scherben zurück gelassen werden? Dass im Anschluss kein Fahrrad mehr fahren kann, die Hunde getragen werden müssen, auch Nachbarskinder den Boden nicht berühren dürfen …!

Es gab keine Organisation von Müll- und Sanitäranlagen. Warum gab es keine mobilen Toilettensysteme? Warum gab es keine Mülltonnen? Warum verteilt Ihr keine Müllsäcke? Professionelle Veranstalter wissen sehr wohl, sollten wissen und haben die Kontakte, dass die Sanitärentsorgung und das Müllmanagement ein zentraler Punkt ist für eine gelungene Veranstaltung. Dieses wurde aber unter dem Deckmantel der Demonstration billigend in Kauf genommen, das führte zu der logischen Konsequenz das unsere Hauseingänge als Pissoir dienten, sämtliche Grünstreifen wurden vollgepisst sogar privat geparkte Fahrzeuge dienten als Urinal. Der Vereinsgarten welcher liebevoll mit Blumen und Gemüse bewirtschaftet wird, die Vereinsmitglieder welche den angrenzenden Park mit Aktionen zusätzlich pflegen, viel Herzblut, Zeit und Geduld investieren, diese standen heute morgen in einer stinkenden, plattgetrampelten Kloake.

Zu Mitternacht noch ein Feuerwerk, Schwefel- Lärm- und CO2 Emissionen gegen Lärm- und CO2 Emissionen? „About Blank“ spielt 8 Stunden lang den selben Bassrythmus, 8 Stunden vibrieren unsere Gläser im Schrank, 8 Stunden im selben Takt, 8 Stunden vibrieren unsere Nerven. Mit voller Lautstärke, respektlos gegen Anwohner, respektlos gegen Tiere, respektlos gegen andere Lebewesen. Wir alle sind gegen die Autobahn, jedoch sind wir nach Samstag nicht mehr überzeugt, dass ihr bleiben sollt, dann VIELLEICHT doch lieber die Autobahn? Jedes Wochenende tanzen unsere Hunde samstags und sonntags durch die Glasspießruten, jedes Wochenende spielen Kinder mit Ravermüll, jedes Wochenende platte Fahrradreifen, jedes Wochenende lärmende Besoffene, jedes Wochenende hämmern die Bässe, jedes Wochenende dulden wir es … Ihr, die Angesprochen, Ihr wollt den Senat und die Bundesregierung mit solch einer Aktion beeindrucken, in der ARD erzählen, dass die Kultur hier ausstirbt? Mit einer Aktion, mit einer Kultur aus Lärm, Müll, Scherben, CO2-Emission und Urin, mit einer Aktion, welche den Anwohnern den letzten Nerv raubt? Wir, die Anwohner, wollen VIELLEICHT doch lieber die Autobahn …Leider …Der Eindruck von Eurer Veranstaltung, der Eindruck der Veranstaltung der Berliner Kulturschaffenden gleicht eher dem Verhalten eines globalen Großkonzerns welcher mit Respektlosigkeit, Zerstörung und kommerziellen Interessen im Anschluss einfach weiterzieht und verbrannte Erde hinterlässt, als einem Kulturverein, welcher Toleranz, Respekt und Liebe repräsentieren will.

Johannes Bielieg, Berlin

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