West-Ost-Drehscheiben-Musik und beherzte Exkursionen ins All mit Heliocentric Counterblast und Yakuza

Geht es nach Yukazu, dann wird die Spree demnächst in Seine umgetauft. Oder wahlweise auch in Drina. Aber egal, ob das Berliner Trio seinen Blick nach Westen oder nach Osten richtet: Alles fließt auf ihrem Debütalbum, nicht nur Melodien und Rhythmen. Auch: Tränen und Alkohol, beides in Strömen.

Sie selbst nennen es „francophonen Gypsy-Pop“, und wenn Schubladen schon sein müssen, dann passt diese doch recht gut. Denn tatsächlich wurden selten zuvor die beiden Himmelsrichtungen so gelungen miteinander verschmolzen, geht das Mondäne überraschend gut zusammen mit dem Derben, gesellt sich das Urbane zum Bäuerlichen. Die Grundlage dafür ist das Chanson, seine Melancholie und vor allem die durchaus auch zum Klischee neigende Sehnsucht nach dem wilden Leben und der großen Liebe, die die Stimme von Lena Krüger einfärbt, wenn sie ihre französischen Texte singt. Dazwischen fährt, nicht ohne Ironie, aber selten gehässig, immer wieder die Klarinette von Franziska Orso, die sonst den Klezmeyers vorsteht. Gitarrist Mike Hermann steuert ein wenig von jener Popsensibilität bei, die er bei seinem Electronica-Projekt Bunnystripes gelernt hat. Unterstützt von Akkordeon, Bass und Perkussion, aber vor allem mit kräftigen Anleihen aus dem Balkan, entsteht dann ein Klangbild, das jene im Auge gehabt haben dürften, die seit gut zwei Jahrzehnten darauf warten, dass Berlin seiner Aufgabe als Ost-West-Drehscheibe nachkommt. Warum allerdings Yukazu sich einen Namen gegeben haben, der aus dem Altjapanischen stammt und „nicht gehen“ heißt, bleibt ihr Geheimnis.

Geht es nach Heliocentric Counterblast, dann wird Berlin demnächst ins All geschossen. Dort machen sich die acht Musiker auf die Suche nach Sun Ra, der bekanntlich auf dem Saturn geboren wurde, aber seit 1993 seine Besuche auf der Erde eingestellt hat. Bislang haben sie allerdings nur die Hinterlassenschaften des großen Jazz-Philosophen und Chefpiloten des Sun Ra Arkestras gefunden: Auf „A Tribute To Sun Ra“ spielt die Band unter Leitung der Saxofonistin Kathrin Lemke sechs seiner Werke, ein Gershwin-Stück, das vom Arkestra gespielt wurde, und zwei eigene Kompositionen.

In dieser vergleichsweise kleinen Besetzung arbeiten Heliocentric Counterblast recht schön die Strukturen der sich verästelnden, mäandernden Stücke des meist sehr viel größeren Arkestras heraus. Das klingt vielleicht manchmal etwas akademisch, und man könnte auch streiten, ob eine solche, dann doch ein wenig akademisch klingende Herangehensweise ausgerechnet dem ausufernden Werk des Weltklassespinners Sun Ra gerecht wird. Man könnte es aber auch so sehen: Heliocentric Counterblast befinden sich in den Startvorbereitungen, noch schrauben sie herum an den Triebwerken ihrer Rakete. Denn so eine Reise in andere Dimensionen dauert nun mal ihre Zeit. Aber wenn sie bald richtig abheben, dann könnten es Heliocentric Counterblast noch schaffen, rechtzeitig am 22. Mai 2014 auf dem Saturn zu landen. Dann feiert dort nämlich Sun Ra seinen 100. Geburtstag. THOMAS WINKLER

■ Heliocentric Counterblast: „A Tribute To Sun Ra“ (Enja/Soulfood), am 8. 5. im Kaffee Burger

■ Yukazu: „Yukazu (Selbstverlag), Record Release Party am 5. 5. im Kaffee Burger